Leitsatz (amtlich)

Das elterliche Sorgerecht beinhaltet kein Recht, den Umgang eines gemeinsamen Kindes mit dem anderen Elternteil zu regeln. Eine entsprechende Befugnis zur Regelung des Umgangs kann daher nicht den Eltern gem. § 1666 BGB entzogen und auf einen Dritten übertragen werden. Dies gilt auch dann, wenn das Kind nicht bei den Eltern, sondern bei Dritten lebt.

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 25.02.2013; Aktenzeichen 42 F 3034/12)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Freiburg vom 25.2.2013 (42 F 3034/12) aufgehoben, soweit den Beschwerdeführern darin das Recht zur Regelung des Umgangs mit ihrem Sohn S., entzogen wurde.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens ist die elterliche Sorge für das Kind S. V.

S. stammt aus der im Jahr 1998 geschlossenen Ehe der Eltern J. und P. V. Er leidet an einer autistischen Störung mit assoziierten Verhaltensproblemen und einer damit einhergehenden allgemeinen geistigen Behinderung. Bis 11.1.2011 wurde S. von seinen Eltern zu Hause betreut. Seitdem ist er vollstationär im H. T. in F. untergebracht.

Die Eltern leben nach eigenen Angaben seit Januar 2013 innerhalb ihrer 2-Zimmer-Wohnung getrennt. Beide befinden sich seit mehreren Jahren im Substitutionsprogramm. Eine räumliche Trennung ist angestrebt.

Mit Schreiben vom 5.2.2013 wurde von Seiten der Heimleitung des H. T. der Heimvertrag sowie der Schulvertrag für S. zum 31.3.2013 gekündigt, da mit den Eltern eine für S. förderliche Zusammenarbeit nicht habe gefunden werden können.

Das Familiengericht Freiburg hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschl. v. 25.2.2013 - auf dessen Inhalt wegen des weiteren Sachverhalts verwiesen wird - den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Regelung der ärztlichen Versorgung, zur Beantragung von Maßnahmen nach dem SGB VIII und SGB XII, das Recht zur Regelung des Umgangs sowie das Recht zur Regelung der schulischen Belange entzogen. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, im Hinblick auf die Kündigung des Heim- und Internatsvertrags durch das H. T. sei das Wohl des Kindes S. gefährdet. Zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung sei den Eltern die elterliche Sorge für S. teilweise zu entziehen. Auf den Beschluss wird Bezug genommen.

Die Eltern haben mit ihrer gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde zunächst die vollständige Aufhebung der familiengerichtlichen Entscheidung angestrebt, ihre Beschwerde im Termin zur mündlichen Verhandlung jedoch überwiegend zurückgenommen. Ihre Beschwerde richtet sich nur noch gegen die im Beschluss vom 25.2.2013 ausgesprochene Entziehung des Rechts zur Regelung des Umgangs.

Der Senat hat mit Beschluss vom 1.7.2013 die Einholung eines psychiatrischen und familienpsychologischen Sachverständigengutachtens zur Frage des künftigen Verbleibs von S., zur Notwendigkeit eines Eingriffs in die elterliche Sorge sowie zur Regelung des Umgangs eingeholt. Auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen M. J. vom 23.1.2014 wird Bezug genommen.

Die vom Senat bestellte Verfahrensbeiständin hat mit Bericht vom 25.1.2014 Stellung genommen. Im Termin vom 11.2.2014 wurden die Eltern angehört.

II. Die zulässigen Beschwerden der Eltern sind in dem zuletzt aufrechterhalten gebliebenen Umfang begründet.

Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung von Gefahren für das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn dieses gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. In das den Eltern nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Recht auf Erziehung darf nur unter strenger Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden (BVerfG v. 28.2.2012 - 1 BvR 3116/11, FamRZ 2012, 1127, Rz. 16 m.w.N.). Dieser gebietet es, dass die getroffenen Anordnungen zur Abwehr der Gefahr erforderlich und objektiv geeignet sind, die Situation des Kindes zu verbessern (BGH FamRZ 2012, 99; BayObLG FamRZ 1997, 1109; Staudinger/Coester, BGB - Neubearbeitung 2009, § 1666 Rz. 212; Palandt/Götz, a.a.O., Rz. 31).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend, soweit das Familiengericht den Eltern das Recht zur Regelung des Umgangs entzogen hat, nicht gegeben. Die diesbezüglich vom Familiengericht angeordnete Maßnahme zielt ausschließlich auf die Gestaltung des Umgangs der Eltern mit ihrem Sohn S. ab, denn hinsichtlich des Umgangs von S. mit Dritten besteht ersichtlich kein Regelungsbedarf und damit keine Veranlassung für ein gerichtliches Tätigwerden.

Der auf § 1666 BGB gestützte Entzug des Rechts zur Regelung des Umgangs von S. mit seinen Eltern kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil die elterliche Sorge eine entsprechende Befugnis nicht umfasst. Die elterliche Sorge kann daher insoweit nicht entzogen und a...

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