Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsobliegenheit. fiktive Einkünfte. Unterhalt. Prozeßkostenhilfebeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei nur gedachter voller Erwerbstätigkeit kann sich eine Einschränkung der Verpflichtung zum Unterhalt aus 1603 Abs. 2 BGB ergeben. So scheidet eine Unterhaltspflicht aus, wenn der Unterhaltspflichtige auch bei Ansatz fiktiver Einkünfte ohne Gefährdung seines notwendigen Eigenbedarfs zu Unterhaltszahlungen nicht im Stande wäre.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Baden-Baden (Beschluss vom 12.12.1997; Aktenzeichen 2 F 271/97)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Baden-Baden (2 F 271/97) vom 12.12.1997 aufgehoben. Der Beklagten wird Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihr Rechtsanwalt … beigeordnet. Die Beklagte hat keine Raten auf die Prozeßkosten zu zahlen.

 

Tatbestand

I.

Der am 13.8.1984 geborene Kläger zu 1 und die am 25.11.1987 geborene Klägerin zu 2 sind die Kinder der Beklagten aus (im Jahr 1990) geschiedener Ehe. Sie wechselten im Februar 1997 zum Vater, der inzwischen das Sorgerecht innehat. Der Vater, der seit Jahren arbeitslos war, hat zum 1.2.1998 einen Second-Hand-Shop für Computer-, Elektronik- und Musikartikel angemeldet.

Die jetzt 43 Jahre alte Beklagte ist seit 1982 nicht mehr erwerbstätig. Ob sie einen Berufsabschluß hat, ist nicht festgestellt. Sie bezieht Sozialhilfe. In der Zeit vom 2.3. bis 2.10.1998 besucht sie einen Qualifizierungslehrgang zur Büroassistentin. Dabei handelt es sich um eine von der Sozialbehörde, die der Beklagten zudem eine Arbeit in einem Altenheim bei einem Nettoentgelt von monatlich etwa 252 DM zugewiesen hat, geförderte Maßnahme.

Mit der am 29.10.1997 (I 41) erhobenen Klage haben die Kläger Unterhalt ab September 1997 in Höhe des Mindestbedarfs (nach der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.1996) von monatlich 392 DM für den Kläger zu 1 und monatlich 314 DM für die Klägerin zu 2 begehrt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat mit Schriftsatz vom 14.10.1997 (I 17) um Prozeßkostenhilfe nachgesucht.

Durch Urteil vom 12.12.1997 hat das Familiengericht der Klage für die Zeit ab 8.9.1997 stattgegeben und mit Beschluß vom selben Tag (I 111) Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung der Beklagten versagt. Die Beklagte, die nicht nachgewiesen habe, daß sie sich hinreichend um eine Arbeitsstelle bemüht habe, müsse zumindest den Mindestbedarf der minderjährigen Kinder aufbringen.

Gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe wendet sich die Beklagte, die auch in der Hauptsache Rechtsmittel eingelegt hat, mit der Beschwerde.

Sie macht geltend, sie sei nicht leistungsfähig. Nachdem sie über 15 Jahre nicht berufstätig gewesen sei, sei sie nur schwer bzw. überhaupt nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar. Sie habe auf eigene Initiative vergeblich versucht, im Raum Achern und Rheinau eine Arbeitsstelle zu finden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Beschwerde ist auch in der Sache gerechtfertigt.

Der Beklagten kann Prozeßkostenhilfe nicht mangels hinreichender Erfolgsaussicht versagt werden. Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO ist vor allem dann kein strenger Maßstab anzulegen, wenn es um die Rechtsverteidigung der mit einer Klage überzogenen Partei geht (vgl. OLG Karlsruhe – 16. Zivil – Familien – Senat, FamRZ 1992, 77).

Die Beklagte kann als leistungsunfähig angesehen werden. Zwar legt die sich aus § 1603 Abs. 2 BGB – auch in der seit 1.7.1998 geltenden Fassung – ergebende verstärkte Unterhaltsverpflichtung gegenüber minderjährigen Kindern den Eltern, hier der (allein) barunterhaltspflichtigen Mutter, eine erhöhte Arbeitspflicht unter gesteigerter Ausnutzung ihrer Arbeitskraft auf. Danach sind Eltern auch verpflichtet, in zumutbaren. Grenzen einen Orts- und Berufswechsel vorzunehmen, wenn sie nur auf diese Weise ihre Unterhaltspflicht erfüllen können (BGH, FamRZ 1980, 1113). Die Beklagte macht jedoch geltend, daß ihr ein Ortswechsel mit Blick auf ihre günstigen Wohnkosten und den Umstand, daß sie kein Kraftfahrzeug besitzt, nicht zumutbar sei. Im übrigen sind die Arbeitslosenzahlen im Raum Achern eher geringer als in anderen Städten Badens.

Die bisher vorgetragenen Bemühungen genügen allerdings nicht den strengen Anforderungen an die gebotene nachhaltige und ernsthafte Suche um eine Arbeitsstelle (vgl. z.B. Kalthoener/Büttner, NJW-Schriften 22, 6. Aufl., Rn. 617 f.). So deuten die vorgelegten Bescheinigungen (I 91 f.) über das Nichtvorhandensein von Stellen bei einzelnen Firmen im Umkreis von Achern darauf hin, daß die Beklagte jeweils nur auf Veranlassung durch den Sozialhilfeträger – und dies nur punktuell und vorübergehend – nach Stellen nachgefragt und sich auch nur auf wenige Stelleninserate selbst beworben hat. Zweifelhaft ist auch, ob sich die Beklagte qualitativ ausreichend bemüht hat.

Jedoch kann sich auch bei nur gedachter voller Erwerbstätigkeit eine Einschränkung d...

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