Leitsatz (amtlich)
In den Urteilsgründen vorgenommene Empfehlungen des Tatrichters für die anstehende Strafvollstreckung unter deutlicher Hervorhebung besonderer Umstände zugunsten des Angeklagten können das Ergebnis der zuvor durchgeführten Gesamtabwägung, mit der eine Entkräftung der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB mangels deutlichen Überwiegens der mildernden Strafzumessungsfaktoren abgelehnt wurde, in Frage stellen und damit entwerten.
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts X. vom 26. März 2001 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht X. verurteilte den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue sowie wegen Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. Auf die - wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte - Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das Urteil dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren elf Monaten (Einzelstrafen: ein Jahr bzw. zwei Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe) verurteilt worden ist.
Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat bereits mit der Sachrüge - vorläufigen - Erfolg.
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte hinsichtlich des zweiten ihm zur Last gelegten Tatgeschehens (Tat II. 2. des amtsgerichtlichen Urteils) angesichts des eingetretenen Schadens von 600. 000 DM das in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB aufgeführte Regelbeispiel (Herbeiführen eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes) verwirklicht. Die Begründung, mit der die Strafkammer eine Kompensierung der indiziellen Bedeutung dieses Regelbeispiels durch andere, die Regelwirkung entkräftende Strafzumessungsfaktoren verneint und demzufolge der Strafzumessung insoweit den Strafrahmen für einen besonders schweren Fall des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 1 StGB) zugrundgelegt hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Trotz Verwirklichung eines Regelbeispiels ist auf den normalen Strafrahmen zurückzugreifen, wenn in dem Tun oder in der Person des Täters Umstände vorliegen, die das Unrecht seiner Tat oder seine Schuld deutlich vom Regelfall abheben, so dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens als unangemessen erscheint (vgl. nur BGHR StGB vor § 1/besonders schwerer Fall Verneinung 2 m. w. N. ). Im Rahmen der Gesamtwürdigung zur Überprüfung der Angemessenheit des erhöhten Strafrahmens hat die Strafkammer die für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte herangezogen und gegeneinander abgewogen. Zugunsten des Angeklagten hat sie dabei berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist, frühzeitig ein weitgehendes Geständnis abgelegt hat, durch volle Namensnennung in der örtlichen und überörtlichen Presseberichterstattung über die Taten über Gebühr beeinträchtigt worden ist und ein Schaden nur noch bei der Y-Bank besteht, dessen Wiedergutmachung der Angeklagte versucht hat. Überdies hat die Kammer das schon fast als leichtsinnig zu bezeichnende Verhalten der Verantwortlichen bei der Y-Bank als gewisses Mitverschulden zugunsten des Angeklagten gewertet. Zu Lasten des Angeklagten hat die Strafkammer demgegenüber dessen von Anfang an zielstrebiges und planmäßiges Vorgehen und die sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten durch verschiedene Transaktionen entwickelnde nicht unerhebliche kriminelle Energie, insbesondere aber die - schwer zu Lasten des Angeklagten wiegende - Höhe des letztlich bei der Y-Bank eingetretenen Schadens von 600. 000 DM angeführt. Bei ihrer Gesamtabwägung ist die Strafkammer dann zu dem Ergebnis gelangt, dass die Summe der zugunsten des Angeklagten sprechenden Strafzumessungsfaktoren nicht so deutlich überwiegt, dass die Annahme eines besonders schweren Falles eine unangemessene Härte bedeuten würde.
Hierzu in Widerspruch hat die Strafkammer allerdings am Ende der Urteilsgründe "für die anstehende Strafvollstreckung" - mangels entsprechender eigener Zuständigkeit (§§ 454, 462 a Abs. 1 und Abs. 2 StPO) ohne jede Bindungswirkung - darauf hingewiesen, dass bei einer anzunehmenden positiven Entwicklung des Angeklagten im Vollzug die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB gegeben sein dürften, sowie "schon jetzt" die Empfehlung ausgesprochen, dass im Hinblick auf die bei der Strafzumessung ausdrücklich gewürdigten besonderen Umstände von Taten und Persönlichkeit des Angeklagten dieser die dann effektiv zu verbüßende Strafe von voraussichtlich weniger als 18 Monaten als Freigänger im offenen Vollzug verbüßen sollte. Mit dieser deutlichen Hervorhebung besonderer Umstände zugunsten des Angeklagten hat die Strafkammer das Ergebnis ihrer zuvor durchgeführten Gesamtabwägung, mit der sie trotz Vorliegens etlicher und gewichtiger Strafmild...