Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen ein noch nicht begründetes Rechtsmittel
Leitsatz (amtlich)
Nach ständiger Rechtsprechung - auch des BGH - kommt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen ein Rechtsmittel grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn der Gegner das Rechtsmittel begründet hat.
Zum Widerspruch zur neueren Rechtsprechung des BGH zur Frage der Erstattung der Kosten des vom Rechtsmittelbeklagten vor Begründung des Rechtsmittels beauftragten Rechtsanwalts nach § 91 ZPO.
Zum Grundsatz, dass die unbemittelte Partei in ihrer prozessualen Rechtsstellung nicht in wesentlicher Weise (hier: Frage der Notwendigkeit einer Anwaltsbeauftragung) schlechter stehen darf als die bemittelte Partei.
Tenor
1. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH und des OLG Karlsruhe kommt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen ein Rechtsmittel grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn der Gegner das Rechtsmittel begründet hat. Diese Rechtsprechung hebt entscheidend darauf ab, dass es vorher nicht notwendig sei, sich eines Rechtsmittelanwalts zu bedienen; dem Rechtsmittelbeklagten könne daher zugemutet werden, mit der Einschaltung eines Rechtsanwalts bis zur Einreichung der Rechtsmittelbegründung zuzuwarten (BGH v. 7.2.2001 - XII ZR 26/99, NJW-RR 2001, 1009; v. 10.2.1988 - IVb ZR 67/87, FamRZ 1988, 942; FamRZ 1982, 58).
Nach neuerer Rechtsprechung des BGH zur Frage der Erstattung der Kosten des vom Rechtsmittelbeklagten vor Begründung des Rechtsmittels beauftragten Rechtsanwalts nach § 91 ZPO wird allerdings im Regelfall die Notwendigkeit, sich eines Anwalts zu bedienen, anerkannt, und zwar auch dann, wenn des Rechtsmittel nur zur Fristwahrung eingelegt worden ist; dem Rechtsmittelbeklagten könne daher nicht zugemutet werden, mit der Einschaltung eines Rechtsanwalts bis zur Einreichung der Rechtsmittelbegründung zuzuwarten (BGH, Beschl. v. 17.12.2002 - X ZB 9/02, MDR 2003, 530 = BGHReport 2003, 412 = FamRZ 2003, 522; bestätigt von BGH, Beschl. v. 3.6.2003 - VIII ZB 19/03, BGHReport 2003, 1115 = MDR 2003, 1140). In der vorerwähnten Entscheidung vom 17.12.2002 wird zur Abgrenzung ggü. den o.g. Entscheidungen (anderer Senate des BGH) zur Prozesskostenhilfe ausgeführt, dass diesen Entscheidungen "spezifisch prozesskostenrechtliche Erwägungen" zugrunde lägen, ohne dass diese Erwägungen genannt werden.
So, wie die Rechtsprechung des BGH zu den beiden Problemkreisen jetzt im Raume steht, erscheint sie dem Senat widersprüchlich; auch bestehen Bedenken, ob sie nicht mit dieser Begründung - nämlich wenn die Beauftragung eines Rechtsmittelanwalts im Rahmen des § 91 ZPO für notwendig, im Rahmen der PKH nicht für notwendig gehalten wird - gegen den Grundsatz verstößt, dass die unbemittelte Partei in ihrer prozessualen Rechtsstellung nicht in wesentlicher Weise (hier: Frage der Notwendigkeit einer Anwaltsbeauftragung) schlechter stehen darf als die bemittelte Partei. Es war daher nach Auffassung des Senats gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO sowohl wegen grundsätzlicher Bedeutung als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Fundstellen
Haufe-Index 1445230 |
FamRZ 2006, 498 |
JurBüro 2006, 97 |
Rpfleger 2006, 132 |
OLGR-Süd 2006, 32 |
www.judicialis.de 2005 |