Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidung im isolierten Sorgerechtsverfahren; Abänderung im Verbundverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Eine in einem isolierten Sorgerechtsverfahren ergangene Entscheidung kann nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung gem. § 620 ZPO abgeändert bzw. außer Kraft gesetzt werden.

 

Verfahrensgang

AG Baden-Baden (Beschluss vom 04.07.2003; Aktenzeichen 2 F 15/02 EA I)

 

Tenor

1. Die einstweilige Anordnung des AG – FamG – Baden-Baden vom 4.7.2003 (2 F 15/02 EA 1) wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Geschäftswert wird auf 900 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Eheleute. Zwischen ihnen war vor dem AG – FamG – Baden-Baden ein isoliertes Sorgerechtsverfahren (2 F 267/00) anhängig. Mit Beschluss vom 21.9.2001 hat das FamG Baden-Baden das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die ehegemeinsamen Töchter B. und I. auf die Mutter übertragen.

In dem nunmehr zwischen den Eheleuten anhängigen Scheidungsverfahren (2 F 15/02) hat das FamG Baden-Baden nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss vom 4.7.2003 im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die ehegemeinsamen Kinder in Abänderung des Beschlusses vom 21.9.2001 auf den Vater übertragen.

Gegen diesen, ihr am 9.7.2003 zugestellten, Beschluss hat die Mutter durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.7.2003, am selben Tag beim OLG Karlsruhe eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf den Vater sei mit dem Wohl der ehegemeinsamen Kinder nicht vereinbar.

II. Die gem. §§ 620c, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Der Beschluss vom 4.7.2003 war aufzuheben, da eine in einem isolierten Sorgerechtsverfahren ergangene Entscheidung nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung gem. § 620 ZPO außer Kraft gesetzt werden kann (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 620 Rz. 19 m.w.N.; Finger in MünchKomm, § 620 Rz. 19; Johannsen/Henrich/Sedemund/Treiber, 4. Aufl., § 620 Rz. 12). Endgültige Titel können durch einstweilige Anordnungen nur geändert werden, wenn die Abänderung der bereits vorhandenen Entscheidung auch Gegenstand eines Hauptsacheverfahrens ist (Zöller/Phillipi, ZPO, 24. Aufl., § 620 Rz. 18; Gießler, Vorläufiger Rechtsschutz in Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen, 3. Aufl., Rz. 125, 989). Die einstweilige Anordnung ist nämlich als Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nur dazu bestimmt, eine Regelung für die Zeit bis zu einer Hauptsacheentscheidung zu treffen. Soweit die Hauptsache bereits anderweitig geregelt ist und nicht erneut im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens überprüft werden soll, ist für eine Regelung durch eine einstweilige Anordnung kein Raum.

Im vorliegenden Fall ist zwar im Scheidungsverbund ein Verfahren auf Abänderung der in dem isolierten Sorgerechtsverfahren ergangenen Entscheidung rechtshängig, der Verfahrensgegenstand des isolierten Sorgerechtsverfahrens ist jedoch nur teilweise mit dem Verfahrensgegenstand der Folgesache elterliche Sorge kongruent. Die Folgesacheentscheidung regelt nur die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung, das isolierte Sorgerechtsverfahren auch die Zeit davor. Für die Zeit bis zur Rechtskraft der Ehescheidung würde die in dem isolierten Verfahren ergangene Endentscheidung daher, ohne weitere Überprüfung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens, dauerhaft durch die vorläufige Regelung vom 4.7.2003 abgeändert. Wie bereits ausgeführt, ist ein solches Ergebnis mit dem Sinn und Zweck der einstweiligen Anordnung als Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nicht vereinbar.

Darüber hinaus würde nach dem Erlass einer einstweiligen Anordnung die ursprüngliche Sorgerechtsregelung im Falle der Abweisung oder Rücknahme des Scheidungsantrages von selbst wieder in Kraft treten (§ 620 f ZPO). Diese ohne Sachprüfung eintretende, automatische Änderung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes wäre dem Kindeswohl nicht dienlich (Zöller/Phillipi, ZPO, 24. Aufl., § 620 Rz. 18).

Eine Korrektur des Beschlusses vom 21.9.2001 kann daher nur in einem selbständigen Abänderungsverfahren erreicht werden, in dessen Rahmen einstweilige Anordnungen getroffen werden können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1112439

FamRZ 2004, 1044

MDR 2004, 453

FamRB 2004, 222

JWO-FamR 2004, 91

NJOZ 2004, 3040

OLGR-KS 2004, 330

www.judicialis.de 2003

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