Leitsatz (amtlich)

Eine Zusammenrechnung der Streitwerte gemäß § 39 Abs. 1 GKG setzt nicht voraus, dass die Streitgegenstände gleichzeitig geltend gemacht werden (Anschluss an OLG München, Beschluss vom 13.12.2016 - 15 U 1407/16 -, NJW-RR 2017, 700; OLG Schleswig, Beschluss vom 07.03.2022 - 3 W 3/22 -, NJW-RR 2022, 931 Rn. 12; OLG Rostock, Beschluss vom 08.01.2020 - 4 W 25/19 -, NJOZ 2021, 1310; OLG Celle, Beschluss vom 20.05.2008 - 2 W 108/08 -, NJOZ 2008, 2277; OLG Koblenz, Beschluss vom 28.12.2005 - 5 W 829/05 -, BeckRS 2006, 529; OLG Hamm, Beschluss vom 12.05.2005 - 24 U 7/05 -, NJOZ 2005, 3149 u.a.).

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Mosbach vom 08.12.2021 abgeändert und der Streitwert auf 13.815,67 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist im Baugewerbe tätig und betreibt ein auf Schalungstechnik spezialisiertes Unternehmen sowie einen Baufachhandel. Die Beklagte ist Inhaberin eines Bauunternehmens.

Ab Mai 2021 mietete die Beklagte in insgesamt acht Verträgen Schalungs- und Deckenstützen sowie weitere Schalungselemente für ein Bauvorhaben an. Die Klägerin rechnete gegenüber der Beklagten Mietkosten von insgesamt 16.277,30 EUR ab. Die Beklagte leistete Mietzahlungen von 1.756,44 EUR und 4.680,75 EUR, so dass ein Restbetrag von 9.840,11 EUR verblieb. Weitere Zahlungen der Beklagten erfolgten zunächst nicht.

Am 10.08.2021 beantragte die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheids über 9.840,11 EUR. Der Mahnbescheid wurde am Folgetag erlassen und der Beklagten am 13.08.2021 zugestellt. Am 23.08.2021 ging der Widerspruch der Beklagten ein. Am 14.09.2021 wurde das Verfahren an das Landgericht Mosbach abgegeben.

Die Beklagte zahlte am 30.09.2021 weitere 9.835,11 EUR an die Klägerin.

In ihrer Anspruchsbegründung vom 05.10.2021 beantragte die Klägerin daher, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.840,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2021 zu zahlen, abzüglich einer am 30.09.2021 geleisteten Zahlung in Höhe von 9.835,11 EUR. Im Umfang der erfolgten Zahlung werde die Hauptsache für erledigt erklärt. Ferner beantragte die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung weiterer 3.975,56 EUR nebst Zinsen zu verurteilen, die sich aus den ihr für den Monat September 2021 zustehenden Mietforderungen für die vermieteten Geräte ergäben.

Das Gericht forderte die Beklagte mit Verfügung vom 14.10.2021 auf, Verteidigungsbereitschaft binnen zwei Wochen ab Zustellung der Anspruchsbegründung anzuzeigen. Mit Schriftsatz vom 19.10.2021 beantragte die Klägerin im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen den Erlass eines Versäumnisurteils.

Mit Versäumnisurteil vom 08.11.2021 verurteilte das Landgericht Mosbach die Beklagte antragsgemäß. Die Beklagte hat kein Rechtsmittel eingelegt.

Mit Beschluss vom 08.12.2021 hat das Landgericht den Streitwert für das Mahnverfahren und das streitige Verfahren bis zum 29.09.2021 auf 9.840,11 EUR und für das streitige Verfahren vom 30.09.2021 bis zum 05.10.2021 auf 5 EUR und ab dem 30.09.2021 auf 3.980,56 EUR festgesetzt. Hiergegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Beschwerde und trägt vor, die Streitgegenstände des ursprünglichen Klageanspruchs und des mit der Klageerweiterung geltend gemachten weiteren Klageanspruchs seien nach § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt. Das Landgericht hat ausgeführt, es sehe die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung mehrerer wirtschaftlich nicht identischer Streitgegenstände nur für gegeben an, wenn die Streitgegenstände gleichzeitig geltend gemacht würden, und stützt sich hierzu auf eine in Rechtsprechung und Literatur vertretene Ansicht.

II. Die nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und zulässige Beschwerde gegen den den Streitwert festsetzenden Beschluss (§ 63 Abs. 2 GKG) des Landgerichts hat Erfolg.

Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet. Im Falle eines vorgeschalteten Mahnverfahrens wird der erste Rechtszug des Streitverfahrens durch den Eingang der Akten beim Streitgericht eingeleitet (Schindler, in: BeckOK Kostenrecht, 39. Edition, 01.10.2022, § 40 Rn. 4 m.w.N.). Zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Streitgericht begehrte die Klägerin den schon im Mahnverfahren geltend gemachten Betrag vom 9.840,11 EUR. Mit der Anspruchsbegründung hat die Klägerin den weiteren Antrag gestellt, die Beklagte zur Zahlung weiterer 3.975,56 EUR zu verurteilen. Der bisherige und der neue, zusätzliche Antrag sind zusammenzurechnen, denn gemäß § 39 Abs. 1 GKG werden in demselben Verfahren und Rechtszug die Werte mehrerer (wirtschaftlich nicht identischer) Streitgegenstände grundsätzlich zusammengerechnet.

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.10.2021 die Erledigung wegen der zwischenzeitlich erfolgten Zahlun...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge