Leitsatz (amtlich)
1. Teilt ein Beteiligter eine Änderung seiner Anschrift oder eine wesentliche Verbesserung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht unverzüglich mit, führt allein dies noch nicht zu einer Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe-bewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Hinzukommen muss, dass die Verzögerung oder das Unterlassen der Mitteilung auf einem qualifizierten Verschulden des Beteiligten in Form von Absicht oder grober Nachlässigkeit beruht.
2. Ein schlichtes Vergessen der sich aus § 120a Abs. 2 ZPO ergebenden Mitteilungspflichten rechtfertigt für sich allein noch nicht den Vorwurf der Absicht oder der groben Nachlässigkeit im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
3. Verstößt ein Beteiligter gegen seine Mitteilungspflicht nach § 120a Abs. 2 ZPO, ohne dass dies auf einem qualifizierten Verschulden beruht, kommt gemäß § 120a Abs. 1 ZPO eine Abänderung der Bewilligung auch in Form einer rückwirkenden erstmaligen Ratenzahlungsanordnung in Betracht.
Verfahrensgang
AG Villingen-Schwenningen (Beschluss vom 15.11.2016; Aktenzeichen 3 F 1/14) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Villingen-Schwenningen vom 15.11.2016 (3 F 1/14) dahingehend abgeändert, dass die Antragstellerin im Rahmen der ihr bewilligten Verfahrenskostenhilfe einen Betrag von 914,97 EUR auf die Verfahrenskosten zu zahlen hat.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufhebung der ihr bewilligten Verfahrenskostenhilfe.
Der Antragstellerin war mit Beschluss vom 14.03.2014 auf ihren am 07.01.2014 beim AG Villingen-Schwenningen eingegangenen Antrag in einem Unterhaltsverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Zum damaligen Zeitpunkt befand sich die Antragstellerin in Ausbildung und bezog lediglich das staatliche Kindergeld in Höhe von 184 EUR.
Eine mit Verfügung vom 03.03.2015 angeforderte und von der Antragstellerin erteilte Auskunft über ihre aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse führte zu keiner Änderung der ratenfreien Verfahrenskostenhilfebewilligung. Auch aufgrund der von der Antragstellerin mit Schreiben vom 25.09.2015 mitgeteilten Aufnahme einer Nebenbeschäftigung mit Einkünften von maximal 400 EUR monatlich ergab sich keine Ratenzahlungsverpflichtung.
Am 01.07.2016 trat die Antragstellerin eine bis 31.12.2016 befristete Arbeitsstelle an, ohne dies dem Gericht mitzuteilen. Auf gerichtliche Aufforderung vom 06.10.2016 reichte sie eine aktualisierte Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ein, in welcher erstmals Bruttoeinkünfte aus einer nicht selbständigen Tätigkeit in Höhe von monatlich 2.150 EUR angegeben waren.
Mit Beschluss vom 15.11.2016 hat das AG - Familiengericht - Villingen-Schwenningen die der Antragstellerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe mangels unverzüglicher Mitteilung einer wesentlichen Verbesserung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgehoben. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
In ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde, eingegangen beim AG Villingen-Schwenningen am 06.12.2016, trägt die Antragstellerin vor, sie habe aufgrund besonderer Lebensumstände schlichtweg vergessen die Aufnahme der Erwerbstätigkeit mitzuteilen. Eine bei ihrer Mutter diagnostizierte Brustkrebserkrankung habe sie in ihren jungen Jahren völlig aus der Bahn geworfen, worunter ihre Vorbereitung auf das Abitur gelitten habe. Dies habe sich in der Abiturnote niedergeschlagen, weshalb die für Herbst geplante Aufnahme eines Psychologiestudiums nicht habe erfolgen können und eine kurzfristige Umorientierung notwendig geworden sei.
Das Familiengericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 02.11.2016 nicht abgeholfen und unter anderem ausgeführt, die Erkrankung der Mutter der Antragstellerin könne nicht dazu führen, dass die Verfahrenskostenhilfe nicht aufgehoben werde.
Für den weiteren Sachverhalt wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 und 3, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist mit der Maßgabe begründet, dass eine Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung unterbleibt, die Antragstellerin jedoch im Rahmen der ihr bewilligten Verfahrenskostenhilfe Zahlungen auf die Verfahrenskosten zu leisten hat.
1. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe nach der hier einzig in Betracht kommenden Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO können nicht festgestellt werden.
a) Nach § 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO in der seit 01.01.2014 geltenden - und vorliegend gemäß § 40 Satz 1 EGZPO anzuwendenden - Fassung hat ein Beteiligter eine wesentliche Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse oder eine Änderung seiner Anschrift dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.
Gemäß der ebenfalls seit 01.01.2014 geltenden Fassung des § 124 Abs. 1 Ziffer 4 ZPO soll das Gericht die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe aufheben, wenn der Beteiligte entgegen dieser Verpflichtung dem Gericht eine wesentliche Verbesserung s...