Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung einer deutschen Vollstreckungsklausel
Verfahrensgang
LG Offenburg (Beschluss vom 28.08.2000; Aktenzeichen 2 O 297/00) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Schuldners wird der klauselerteilende Beschluss des Vorsitzenden Richters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 28.08.2000 – 2 O 297/00 – abgeändert.
2. Der Antrag auf Erteilung einer deutschen Vollstreckungsklausel an die Order des High Court of Justice vom 04.07.2000 – BT 99 D 00710 – wird zurückgewiesen.
3. Die Gläubigerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
4. Der Gläubigerin wird für die Beschwerdeinstanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwalt … beigeordnet.
5. Die Beschwer der Gläubigerin und der Gegenstandswert beider Instanzen werden auf 70.000,– DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Gläubigerin betreibt in England einen Unterhaltsprozess, in dem sie von dem Schuldner, ihrem in Deutschland lebenden Ehemann, Unterhalt für sich selbst und das gemeinsame Kind … verlangt. Am 04.07.2000 erließ der High Court eine sog. „freezing order”, die dem Schuldner Vermögensverfügungen verbietet, soweit sie einen Mindeststand des Vermögens von 250.000 Pfund beeinträchtigen; in dieses Verbot einbezogen ist ausdrücklich ein Grundstück des Schuldners in …, Deutschland. Der High Court hat diese Verfügung am 14.07.2000 zunächst mit Wirkung bis 15.09.2000 bestätigt; den Anhörungstermin am 15.09.2000 hat der Schuldner versäumt, worauf das Gericht am 15.09.2000 die Anordnung unbefristet bestätigte. Zwischenzeitlich hat das englische Gericht der Gläubigerin einen Jahresunterhalt von 25.000 Pfund und dem Kind … einen Jahresunterhalt von 3.500 Pfund zugesprochen.
Am 01.08.2000 hat die Gläubigerin die Erteilung einer deutschen Vollstreckungsklausel an die „freezing order” beantragt. Am 28.08.2000 hat der Vorsitzende Richter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg den klauselerteilenden Beschluss (S. 47 ff. d.A.) erlassen, der dem Schuldner am 04.09.2000 zugestellt worden ist. Am 29.08.2000 ist die deutsche Klausel an die englische Anordnung angebracht worden.
Mit seiner Beschwerde vom 08.09.2000 begehrt der Schuldner die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückweisung des Antrags auf Anordnung der Klauselerteilung. Er trägt u.a. vor, das deutsche Recht kenne zur Sicherung von Unterhaltsansprüchen keine gleichartige einstweilige Anordnung (S. 69 ff. d.A.), einen Anspruch auf Übertragung des Grundstücks in Deutschland habe die Gläubigerin nicht (S. 105 ff. d.A.); die Verfügung sichere außer dem Unterhalt auch andere ehebedingte Ansprüche (S. 151 ff.).
Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Sie trägt u.a. vor, die Anordnung des High Court sei mit deutschem Recht vereinbar (S. 81 ff. d.A.) und gelte allein der Sicherung der verschiedenen Arten von Unterhaltsansprüchen englischen Rechts (S. 119 ff., 120; 157 ff., 159, 161 d.A.); der Schuldner habe die Gelegenheit zur Anhörung am 15.09.2000 verstreichen lassen, weshalb vorher fehlendes Gehör unbeachtlich sei (S. 157 ff. d.A.); die Anordnung sei auch ausreichend bestimmt. Die Gläubigerin beantragt zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz unter Beiordnung eines Anwaltes (S. 81 ff.); sie verweist dabei auf den Prozesskostenbewilligungsbeschluss des englischen Regional Office vom 30.06.2000 (S. 90 ff. d.A.).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige (§ 11 Abs. 1 AVAG) Beschwerde des Schuldners ist begründet. Denn die Gläubigerin kann weder unter dem EuGVÜ noch unter dem Haager Unterhaltsübereinkommen 1973 die Erteilung einer deutschen Klausel verlangen.
1. Eine Vollstreckung der englischen „freezing order” (früher: „Mareva injunction”) unter dem EuGVÜ scheidet aus. Nach der Rechtsprechung des EuGH fallen zwar einstweilige Maßnahmen unter Art. 25, 31 ff. EuGVÜ und können grundsätzlich vollstreckt werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn der andere Teil vor Erlass der Maßnahme nicht gehört worden ist, was der EuGH aus Art. 27 Nr. 2, 46 Nr. 2 EuGVÜ erschließt (EuGH Slg. 1980, 1553; NJW 1980, 2016 – Leitsatz; ausführlich Kropholler, EuGVÜ, 6. Aufl. 1998, Art. 25 Rn. 23 ff. m.w.N.). Nachträgliches Gehör – das letztlich überall in Europa stets gegeben ist – reicht nach Auffassung des Senats gerade nicht aus. Aus den Akten ergibt sich, dass der Schuldner vor Erlass der „freezing order” nicht gehört worden ist. Möglichkeit zum Gehör war vielmehr erst am 15.09.2000 und damit über zwei Monate nach ihrem ersten Erlass am 04.07.2000 gegeben, als in Deutschland bereits Klauselerteilung beantragt war – nämlich am 01.08.2000 – und der klauselerteilende Beschluss vom 28.08.2000 vorlag. Dem Schuldner war die „freezing oder” in Deutschland zugestellt, ehe er in England Gelegenheit zum nachträglichen Gehör hatte. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine „freezing Order” nur anerkennungs- und vollstreckungsfähig bei vorherigem Gehör, das durchaus denkbar und möglich ist (dazu OLG Karlsruhe ZZP I...