Leitsatz (amtlich)
Stellt der Betroffene den Rechtsmittelantrag auf Aufhebung der vorläufigen Unterbringung nach Erledigung der Unterbringungsmaßnahme nicht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit um, nimmt das Rechtsmittel aber auch nicht zurück, so ist der Antrag dahin gehend auszulegen, dass der Betroffene die Rechtswidrigkeit der Unterbringung festgestellt haben will.
Normenkette
FGG § 27 Abs. 1, § 70h; GG Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 4 T 235/02) |
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des LG Offenburg vom 31.1.2003 (4 T 235/02) aufgehoben. Das Verfahren wird zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Betroffene wurde am 23.11.2002 in die „K.a.d.L.” eingeliefert, nachdem sie aufgrund eines angeschwollenen linken Knöchels zusammengebrochen war und der Notfallarzt eine seelische Verwirrung festgestellt hatte. Die Klinik hat am 26.11.2002 einen Unterbringungsantrag gestellt und vorgetragen, die Betroffene leide an einer akuten Psychose. Weiter bestehe der Verdacht einer Thrombose im linken Bein.
Die Betroffene ist diesem Antrag entgegengetreten. Nach Anhörung hat das AG mit Beschluss vom 27.11.2002 im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung der Betroffenen für die Dauer von längstens 6 Wochen angeordnet. Weiter wurde die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet.
Gegen diese Entscheidung hat die Betroffene mit Schriftsatz vom 28.11.2002 sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG hat am 6.12.2002 die Betroffene und den behandelnden Arzt angehört. Aufgrund Beschlusses der Kammer vom gleichen Tag hat der Sachverständige Dr. D. am 10.12.2002 ein psychiatrisches Gutachten erstellt (AS. 121–141).
Am 23.12.2002 wurde die Betroffene in die psychiatrische Klinik W.-E. überführt. Dort wurde sie am 24.12.2002 entlassen.
Mit Hinweis vom 3.1.2003 (AS. 171) hat das LG den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und Anpassung der Verfahrensanträge gegeben. Hierauf hat die Betroffene nicht reagiert. Das LG hat sodann mit Beschluss vom 31.1.2003 die sofortige Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, eine Auslegung des Beschwerdevorbringens lasse nicht den Schluss zu, dass die Betroffene auch an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit interessiert sei. Da sich durch die Entlassung die Hauptsache erledigt habe, sei die sofortige Beschwerde unbegründet.
Gegen den Beschluss des LG hat die Betroffene sofortige weitere Beschwerde eingelegt und die Ansicht vertreten, das LG habe zu Unrecht nicht über die Rechtmäßigkeit der Unterbringung entschieden. In ihrer sofortigen Beschwerde sei inzident ein entspr. Feststellungsantrag enthalten gewesen.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das LG, denn dessen Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, §§ 546, 547, 559 ZPO).
Durch die Entlassung der Betroffenen, spätestens aber mit dem zwischenzeitlichen Ablauf des sechswöchigen Unterbringungszeitraums hat sich die Hauptsache erledigt. Grundsätzlich ist eine Beschwerde zu verwerfen, wenn der Beschwerdeführer diese trotz Erledigung in vollem Umfang aufrechterhält (Keidel/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 13a Rz. 47; Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 94). Nach den Grundsätzen, die das BVerfG zur Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG entwickelt hat, ist eine nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit allerdings bei vorläufiger gerichtlich angeordneter Unterbringung nach § 70h FGG i.V.m. Landesrecht regelmäßig in Betracht zu ziehen (BVerfG NJW 1998, 2432). In diesen Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe ist trotz Erledigung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse auszugehen (BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456 ff.). Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat das LG auch nicht verkannt, rechtsfehlerhaft geht es allerdings davon aus, dass die Betroffene verpflichtet gewesen wäre, ihren Antrag ausdrücklich auf einen Feststellungsantrag „umzustellen” bzw. eine Auslegung ihres Rechtsmittels im Sinne eines Feststellungsbegehrens nicht möglich sei.
Erklärungen und Anträge ggü. dem Gericht können auslegungsbedürftig sein. Das Gericht muss nach Möglichkeit den Willen des Erklärenden erforschen, sofern dieser in der Erklärung verkörpert ist (Keidel/Zimmermann, § 11 Rz. 35 m.w.N.). Entscheidend ist der Inhalt und das erkennbare Ziel eines Antrags auf der Grundlage einer wohlwollenden Auslegung. Diese auch im ZPO-Verfahren geltenden (vgl. etwa für die Umdeutung eines Leistungsantrags in einen Feststellungsantrag BGH MDR 1988, 46) Grundsätze sind im FGG-Verfahren schon deshalb besonders zu beachten, weil dort Beschwerde und sofortige Beschwerde überhaupt keines förmlichen Antrags oder einer Begründung bedürfen (Keidel/Sternal, § 21 Rz. 23 m.w.N.).
Da es sich bei der Auslegung des Antrags der Betroffenen um die Ausle...