Leitsatz (amtlich)
Besteht die Möglichkeit, dass sich der Schädiger auf Notwehr oder Nothilfe berufen wird, beginnt der Lauf der Verjährungsfrist nach § 852 BGB für einen Sozialversicherungsträger erst dann, wenn er Kenntnis der näheren Umstände der Körperverletzung in einer Weise erlangt, die ihm eine eigenständige Beurteilung ermöglicht, ob ein eventueller Notwehreinwand des Gegners berechtigt sein kann. Es ist dem Sozialversicherungsträger regelmäßig schon im Hinblick auf das Kostenrisiko nicht zuzumuten, sich in solchen Fällen allein auf die Darstellung seines Versicherungsnehmers zu verlassen.
Normenkette
BGB a.F. § 852
Tenor
Der Antrag ist zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).
Gründe
1. Die Einrede der Verjährung ist sowohl hinsichtlich der mit der Klage zunächst geltend gemachten Forderung i.H.v. 56.297,06 DM (= 28.784,23 Euro ) als auch bezüglich der mit der Klageerweiterung geltend gemachten weiteren Forderung i.H.v. 14.972,91 DM (= 7.655,53 Euro) unbegründet.
Nachdem der Anspruchsübergang nach § 116 SGB X auf die Klägerin als Sozialversicherungsträgerin bereits im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses stattfand, kommt es für die Verjährung auf die Kenntnis der Klägerin von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichten an (BGH, Urt. v. 10.7.1967 – III ZR 78/66, BGHZ 48, 181 [192] = MDR 1967, 994; Urt. v. 25.6.1996 – VI ZR 117/95, BGHZ 133, 129 [134, 138] = MDR 1996, 1128). Diese Kenntnis ist vorhanden, wenn dem Anspruchsinhaber zuzumuten ist, auf Grund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage – sei es auch nur in Form der Feststellungsklage – zu erheben (BGH, Urt. v. 31.10.2000 – VI ZR 198/99, MDR 2001, 164 = BGHReport 2000, 54 = NJW 2001, 885 [886]). Der Beginn der Verjährungsfrist wird dabei grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gegner seine Verantwortlichkeit in Abrede stellt (BGH, Urt. v. 22.6.1993 – VI ZR 190/92, MDR 1994, 144 = NJW 1993, 2614; v. 30.10.2000 – VI ZR 198/99, MDR 2001, 164 = BGHReport 2000, 54 = NJW 2001, 885 [886]). Anders kann es sich jedoch bezüglich solcher Umstände verhalten, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schädigers ergibt. Das hat der BGH insbesondere in Fällen einer Körperverletzung angenommen, sofern auch der Schädiger Verletzungen durch den Geschädigten davongetragen hat. Denn dann liegt es nahe, dass sich der Schädiger auf Notwehr oder Nothilfe berufen wird. Für den Fall einer Geltendmachung durch den Geschädigten selbst wird diese Ausnahme allerdings wegen seiner unmittelbaren Teilnahme an dem streitigen Geschehen nur in Betracht kommen, wenn er infolge der Verletzungen in seinem Erinnerungsvermögen beeinträchtigt ist (BGH v. 22.6.1993 – VI ZR 190/92, MDR 1994, 144 = NJW 1993, 2614). Ist der Anspruch dagegen auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen, greift diese Einschränkung nicht. Denn dem Sozialversicherungsträger ist es regelmäßig schon im Hinblick auf das Kostenrisiko nicht zuzumuten, sich in solchen Fällen allein auf die Darstellung seines Versicherungsnehmers zu verlassen. Der Lauf der Verjährungsfrist nach § 852 BGB beginnt daher für ihn erst dann, wenn Kenntnis der Umstände der Körperverletzung in einer Weise erlangt, die ihm eine eigenständige Beurteilung ermöglicht, ob der Notwehreinwand des Gegners berechtigt sein kann.
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin hier erst im Juli 1998 durch Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft eine Kenntnis erlangt, die den Lauf der Verjährungsfrist in Gang setzte. Nach dem unstreitigen Sachverhalt hat auch der Beklagte bei dem Vorfall vom 19.9.1996 Verletzungen davon getragen. Die Klägerin musste aufgrund der Antwort des Beklagten vom 9.4.1997 (I 68) auf ihre Schreiben vom 26.2.1997 und vom 20.3.1997 (I 66) mit der Möglichkeit rechnen, dass sich der Beklagte – wie er es später ja tatsächlich auch tat – auf Notwehr berief. Die Angaben des Versicherten im Unfall-Fragebogen (II 75) waren hinsichtlich des genauen Verlaufs der tätlichen Auseinandersetzung unergiebig, weil er sich darauf beschränkte, auf die polizeilichen Ermittlungsakten zu verweisen. Die Klägerin bemühte sich, wie sich aus den beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft S. ergibt, bereits im November 1996 um Akteneinsicht. Nach ihrem insoweit nicht bestrittenen Vorbringen wurde ihr jedoch erst im Juli 1998 Akteneinsicht gewährt. Anhaltspunkte dafür, dass sie bereits zuvor über den Ausgang des Strafverfahrens informiert worden war, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die dreijährige Verjährungsfrist war damit weder bei Zustellung der Klage noch bei Zustellung der Klageerweiterung verstrichen. Auf die Frage einer Unterbrechung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids gem. §§ 209 Abs. 2 Nr. 1, 213, 212a, 211, 217 BGB kommt es damit nicht an.
2. Auch soweit der Beklagte ein Mitverschulden des Geschädigten geltend macht und die Beweiswürdigung des LG angreift, hat sein Rechtsmittel keine Au...