Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit eines Kostenvorschusses für Nachlasspflegschaft

 

Verfahrensgang

Notariat X. (Beschluss vom 22.12.2010; Aktenzeichen 2 NG 373/2010)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Nachlassgerichts - Notariat II X. - 2 NG 373/2010 - vom 22.12.2010 abgeändert und die Bestellung eines Nachlasspflegers zur Vertretung des Nachlasses gegenüber den Ansprüchen der Beteiligten angeordnet.

Die Auswahl des Nachlasspflegers bleibt dem Nachlassgericht vorbehalten.

 

Gründe

I. Der Erblasser ist am 21.8.2010 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung in X. verstorben. Die möglichen gesetzlichen Erben, seine Mutter, seine beiden Schwestern und sein Bruder (vgl. AS 5) haben mit Erklärungen vom 28.9.2010 und 7.10.2010 (AS 10, 20) für sich und ihre minderjährigen Kinder die Erbschaft ausgeschlagen, da ihnen der Nachlass überschuldet erschien. Das Nachlassgericht hat die Ausschlagungserklärungen entgegen genommen. Ein Erbe ist nicht ermittelt worden.

Die Beteiligte hat gegen den Erblasser noch zu dessen Lebzeiten zwei vollstreckbare Titel erwirkt, ein Versäumnisurteil des AG X. vom 23.4.2009 - 5 O 117/09 -, wonach der Erblasser verurteilt wird, an die Klägerin 4.560 EUR nebst Zinsen zu bezahlen, darüber hinaus einen Kostenfestsetzungsbeschluss in diesem Verfahren vom 30.7.2009 über zu erstattende Kosten von 1.055,34 EUR nebst Zinsen. (AS 27 f.) Die Beteiligte hat mit Schriftsatz vom 19.10.2010 (AS 26) dem Nachlassgericht mitgeteilt, dass sie beabsichtige, nunmehr in den Nachlass zu vollstrecken und daher beantrage, für die ihr unbekannten nächsten Erben einen Nachlasspfleger zu bestellen. Mit Verfügung vom 26.10.2010 hat das Nachlassgericht der Beteiligten mitgeteilt, dass eine Nachlasspflegschaft nur angeordnet werden könne, wenn sie binnen 14 Tagen einen Kostenvorschuss i.H.v. 200 EUR einzahle, der der Vergütung des Nachlasspflegers, dessen Auslagen sowie den Gerichtskosten diene.

Die Beteiligte ist dieser Verfügung entgegengetreten und hat einen Vorschuss nicht eingezahlt.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 22.12.2010 den Antrag auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft zurückgewiesen, weil bei einem bedürftigen Nachlass die Anordnung der Nachlasspflegschaft von einer Vorschusszahlung abhängig gemacht werden könne (AS 49).

Der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde vom 27.1.2011 (AS 55) hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 23.2.2011 (AS 84) nicht abgeholfen.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerde ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft sowie frist- und formgerecht nach §§ 63, 64 FamFG eingelegt. Der Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG ist erreicht, denn er bestimmt sich nach dem vermögenswerten Interesse der Beteiligten, welches sich nach der Höhe ihrer Forderung bestimmt. Die Beteiligte ist gem. § 59 Abs. 2 FamFG als Antragstellerin gem. § 1961 BGB beschwerdeberechtigt.

2. Die Beschwerde ist begründet. Das Nachlassgericht hat die Anordnung der Nachlasspflegschaft zu Unrecht von der Zahlung eines Vorschusses für die Gerichtskosten, die Vergütung und die Auslagen des Nachlasspflegers abhängig gemacht.

a) Die Voraussetzungen der § 1961, 1960 Abs. 1 BGB sind gegeben.

Die Erben sind unbekannt, nachdem alle bekannten Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben.

Die antragstellende Gläubigerin hat ein berechtigtes Interesse an der Nachlasspflegschaft. Sie hat ihre bereits titulierten Ansprüche aufgezeigt. Zur bezweckten gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, i.S.v. § 1961 BGB gehört auch die Durchführung der Zwangsvollstreckung (vgl. OLG Brandenburg, B. v. 2.12.2005 - 1 AR 70/05, Juris; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 778 ZPO Rz. 6). Eines Sicherungsbedürfnisses wie in § 1960 Abs. 1 BGB bedarf es nicht, das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl., § 1961 Rz. 2 m.w.N.) ist gegeben, nachdem die Beteiligte die ernsthafte Absicht der Einleitung der Zwangsvollstreckung bekundet hat, ihr Vorgehen nicht mutwillig erscheint und sie auf die Bestellung eines Nachlasspflegers angewiesen ist, nachdem ein Testamentsvollstrecker nicht vorhanden ist.

b) Die Bestellung eines Nachlasspflegers darf nach einem Antrag nach § 1961 BGB nicht von der Einzahlung eines Vorschusses des Gläubigers abhängig gemacht werden.

Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an, wonach die Anordnung einer Nachlasspflegschaft auch bei einem bedürftigen Nachlass nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass der antragstellende Gläubiger die Gerichtskosten vorschießt (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1961 Rz. 3; Siegmann/Höger in Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand 1.3.2011, § 1961 Rz. 4; Wildemann in jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010, § 1961 Rz. 9; Waldner in Rohs/Wedewer, KostO, 18. Aufl. 2010, § 6 Rz. 3; Lappe, KostO 18. Aufl. 2010, § 6 Rz. 10; OLG Frankfurt OLGZ 1993, 259 ff., OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2002, 376; OLG Hamm, ZEV 2011, 190 f.; NJW-RR, 2010, 1594 f.; FGPrax 20...

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