Entscheidungsstichwort (Thema)

Abstammung. Gutachten. Minderjährige. Ehelichkeitsanfechtung. sofortige Beschwerde gem. §§ 372 a Abs. 2, 387 Abs. 3 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung kann der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen nur dann über die Duldung der Blutgruppenuntersuchung entscheiden, wenn der Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife von der Bedeutung seines Weigerungsrechts nach 372 a Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO keine genügende Vorstellung hat. Hat der Minderjährige die erforderliche Verstandesreife, wird das Weigerungsrecht von ihm selbst – ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters – ausgeübt.

 

Normenkette

ZPO §§ 372a, 38

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Zwischenurteil vom 01.10.1996; Aktenzeichen 61 C 355/94)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird das Zwischenurteil des Amtsgerichts Heidelberg (61 C 355/94) vom 1.10.1996, soweit es die Verweigerung der Blutentnahme durch den Beklagten betrifft, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Koten des Beschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Heidelberg zurückverwiesen.

2. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 wird zurückgewiesen.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die gemäß §§ 372 a Abs. 2, 387 Abs. 3, 577 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache zum Teil gerechtfertigt. Sie führt bezüglich des Beklagten, des Beschwerdeführers zu 1, zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung.

1. Eine wirksame Weigerung des Beklagten, die Grundlage für die Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit bilden könnte, liegt nicht vor.

Die Mutter des am 15.6.1981 geborenen Beklagten, die nach Scheidung vom Kläger alleinige Inhaberin des Sorgerechts ist, ist zwar zu dessen Vertretung im vorliegenden Verfahren gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB befugt, solange ihr das Vertretungsrecht nicht entzogen ist (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1972, 498 = NJW 1972, 1708 bei gegensätzlichen Interessen von Kind und Mutter im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß; OLG Karlsruhe – 5. ZS –, FamRZ 1991, 1337). Sie kann jedoch die Frage, ob sich der Beklagte der Blutentnahme für die Abstammungsbegutachtung unterzieht, nicht entscheiden. Die Entscheidung hat der Beklagte selbst zu treffen.

§ 372 a Abs. 2 ZPO verweist bezüglich der Verweigerung der Untersuchung zur Feststellung der Abstammung auf die Vorschriften über die Zeugnisverweigerung gemäß §§ 386 f. ZPO. Im Schrifttum werden daher für die Untersuchung eines Minderjährigen die von der Rechtsprechung für die Zeugnisverweigerung entwickelten Grundsätze herangezogen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl., § 372 a Rn. 14; Münch/Komm/Damrau, ZPO, § 372 a Rn. 31). Für die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts hat die Rechtsprechung u.a. auch mit Blick auf die Bestimmungen über die Einwilligung eines Kindes in seine Ehelichkeitserklärung (jetzt §§ 1726, 1729 BGB) entschieden, daß der minderjährige Zeuge das Weigerungsrecht, sofern er die für eine selbstverantwortliche Entscheidung erforderliche Verstandesreife besitzt (wofür die Vollendung des 14. Lebensjahres einen Anhaltspunkt bieten kann), selbst ausübt (vgl. BayObLG, NJW 1967, 206, 209 zu § 383 ZPO; BGH, NJW 1967, 360 zu § 52 StPO a.F., der damals die Regelung für Minderjährige noch nicht enthielt).

Anders als § 81 c Abs. 3 StPO regelt § 372 a ZPO nicht, wie bezüglich des Weigerungsrechts bei Minderjährigen zu verfahren ist. In § 81 c Abs. 3 Satz 2 StPO n.F. hat der Gesetzgeber jedoch die Grundsätze übernommen, die vom Bundesgerichtshof (Großer Senat für Strafsachen, NJW 1959, 445) zur Untersuchung von Beweispersonen (hier Entnahme einer Blutprobe) entwickelt worden sind. Danach dürfen Beweispersonen, welche die zum Verständnis ihres Weigerungsrechts nach § 81 c StPO (a.F.) erforderliche geistige Reife nicht besitzen, körperlich nur untersucht werden, wenn ihr gesetzlicher Vertreter einwilligt. Diese gesetzliche Wertung, die nach § 81 c Abs. 2 StPO nicht nur körperliche Untersuchungen, sondern ausdrücklich die Entnahme von Blutproben zur Abstammungsbegutachtung umfaßt, ist auf Fälle der vorliegenden Art übertragbar. Dieser allgemeine Grundsatz, wann Minderjährige höchstpersönliche Rechte selbst und ohne Vorbehalt der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ausüben können, erfährt hier auch nicht dadurch eine Einschränkung, daß sich die in § 81 c Abs. 3 Satz 1 StPO und § 372 a Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO bestimmten Weigerungsrechte nicht vollständig decken. Die Frage, ob er generell für ärztliche Eingriffe gilt, oder bei Minderjährigen in jedem Fall der gesetzliche Vertreter zustimmen muß, ist hier nicht zu entscheiden (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., Überblick vor § 104 Rn. 6 m.w.N.).

Demzufolge hat bei Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung nach § 372 a ZPO der gesetzliche Vertreter zu entscheiden, wenn Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder Personen wegen einer psychischen...

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