Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Vollstreckung einer Verpflichtung zur Rückführung eines Kindes nach HKÜ
Leitsatz (amtlich)
Die Verpflichtung zur Rückführung eines Kindes ist nach den Intentionen des HKÜ nur dann erfüllt, wenn das Kind sich auf Dauer wieder in dem Vertragsstaat aufhält, aus dem es entführt worden ist.
Normenkette
HKÜ Art. 3, 12; IntFamRVG § 44 Abs. 1, 5-6
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Aktenzeichen 1 F 315/07) |
Tenor
Gegen die Schuldnerin wird wegen Nichterfüllung der Rückführungsverpflichtung gem. Ziff. I.1 des Senatsbeschlusses vom 28.3.2008 ein Ordnungsgeld i.H.v. 1.000 EUR (in Worten: eintausend Euro) und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, 10 Tage Ordnungshaft festgesetzt.
Die Schuldnerin trägt die Kosten des Vollstreckungsverfahrens.
3. Der Wert des Vollstreckungsverfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Gläubiger und die Schuldnerin, beide polnische Staatsangehörige, sind die Eltern des am 14.8.2002 geborenen Kindes B.. Obwohl die Eltern nicht miteinander verheiratet sind und waren, wird nach Art. 93 § 1 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuchs die elterliche Gewalt von beiden Elternteilen ausgeübt. Zwar ist nach Art. 97 § 1 dieses Gesetzes jeder Elternteil (einzeln) zur Ausübung der elterlichen Gewalt berechtigt und verpflichtet, jedoch haben die Eltern nach Art. 97 § 2 dieses Gesetzes wesentliche Angelegenheiten des Kindes, wozu auch eine Entscheidung über den gewöhnlichen Aufenthalt gehört, gemeinsam zu entscheiden.
B. ist nach dem Mitte 2003 erfolgten Auszug des Vaters aus der gemeinsamen Wohnung in P./Polen bei der Mutter geblieben. Im März 2006 hat die Mutter ihre dortige Wohnung verkauft und sich im Juni 2006 in K./Polen bei einem Onkel angemeldet, ohne dort einen tatsächlichen Wohnsitz zu begründen. Seit März 2006 ist die Mutter polizeilich in S./Deutschland gemeldet. Zu dem dort wohnenden R. S., den die Mutter am 9.9.2006 geheiratet hat, ist sie mit dem Kind Ende September 2006 umgesiedelt, was der Vater im März 2007 erfahren hat.
Auf den Rückführungsantrag des Vaters vom 7.8.2007 hat das AG - FamG - Karlsruhe mit Beschluss vom 14.12.2007 die unverzügliche Rückführung des Kindes angeordnet. Die hiergegen von der Mutter eingelegte sofortige Beschwerde ist im Ergebnis erfolglos geblieben. Der Senat hat am 28.3.2008 beschlossen:
"I.1. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, das Kind B. (...) unverzüglich nach Polen zurückzuführen. ...
I.4. Der Antragsgegnerin wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Verpflichtung aus diesem Beschluss die Auferlegung eines Ordnungsgeldes bis zu 20.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten angedroht."
Der Gläubiger hat am 16.5.2008 beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 28.3.2008 in die Wege zu leiten. Er behauptet, die Schuldnerin habe das Kind nicht nach Polen zurückgebracht. Als er am 2.5.2008 an der Wohnung des Onkels nach seinem Sohn gefragt habe, sei ihm vom Onkel erklärt worden, das Kind sei mit der Mutter in Deutschland.
Die Schuldnerin trägt vor, sie habe die ihr auferlegte Verpflichtung erfüllt. Sie sei mit B. am 13.4.2008 nach Polen zurückgekehrt und wohne in K./Polen in einer von ihrem Onkel zur Verfügung gestellten Wohnung. Am 14.4.2008 habe sie einen Antrag auf Neuregelung des Umgangsrechtes gestellt. Als der Gläubiger am 2.5.2008 vor ihrer Wohnung erschienen sei, habe sie sich mit ihrem Sohn auf einem Spielplatz befunden. Ihr Onkel habe dem später erschienenen Polizisten ausdrücklich bestätigt, dass sie mit ihrem Sohn bei ihm wohne. Am 17.5.2008 sei ihr Ehemann nach Polen gekommen und am 17.5.2008 sei man gemeinsam zu Besuch nach S./Deutschland gefahren. Ihr Sohn B. habe sich jedoch am 18.5.2008 den Arm gebrochen. Weil sich erst in der folgenden Woche entschieden habe, ob B. operiert werden musste, sei der Rückflug auf den 5.6.2008 verschoben worden. Am 9., 12., 18. und 19.6.2008 habe sie Gerichts - und Behördentermine in K./Polen wahrgenommen. Sie sei am 19.6.2008 von ihrem Ehemann telefonisch über den Tod seiner Mutter informiert worden, worauf sie am 21.6.2008 mit B. nach Deutschland gefahren sei. Von Ende Juni 2008 bis zum 22.7.2008 habe B. wieder den Kindergarten in S./Deutschland besucht und in dieser Zeit seien am 04. und am 11.7.2008 Einschulungstests durchgeführt worden. Ab 23.7.2008 werde sie mit B. Urlaub an der polnischen Ostsee machen. Sie hoffe, das polnische FamG werde ihrem Sohn bald die Ausreise nach Deutschland zu ihrem Mann erlauben.
II. Die im Wege der Vollstreckung durchzusetzende Verpflichtung der Schuldnerin, das Kind B. nach Polen zurückzuführen, beruht auf Ziff. I.1 des Beschlusses des Senats vom 28.3.2008, der sich auf Art. 12, 13 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ) gründet. Der Beschluss ist rechtskräftig und ohne Vollstreckungsklausel vollstreckbar.
Gegen die Schuldnerin ist ein Ordnungsmittel festzusetzen, weil sie den Anordnungen des Beschlus...