Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids. Pflichten des Bauleiters. Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids wegen mangelnder Konkretisierung der Tat
Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang der einem Bauleiter obliegenden Verpflichtungen Wird dem Betroffenen die Beteiligung an einer sich über längere Zeit hinziehenden Ordnungswidrigkeit vorgeworfen, ohne dass ihm den Tatbestand unmittelbar verwirklichende Handlungen angelastet werden, bedarf es im Bußgeldbescheid einer Konkretisierung der Handlungen des Betroffenen, an die der Tatvorwurf anknüpft, damit dieser seiner Umgrenzungsfunktion gerecht wird.
Normenkette
OWiG § 66 Abs. 1 Nr. 3; LBO BW § 45 Abs. 1, § 75 Abs. 1 Nr. 11
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 21.03.2016; Aktenzeichen 29 OWi 440 Js 23868/15) |
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 21.3.2016 aufgehoben.
- Das Verfahren wird eingestellt.
- Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO entsprechend).
Gründe
I.
Das Amtsgericht Freiburg verurteilte den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen §§ 75 Abs. 1 Nr. 10 (a.F.), 45 Abs. 1 Satz 1, 67 Abs. 4 LBO BW zu der Geldbuße von 5.000 €. Nach den Feststellungen war der Betroffene als Bauleiter für ein Bauvorhaben in Freiburg bestellt. Die Baugenehmigung war unter der Auflage einer Abnahme vor Ingebrauchnahme erteilt worden. Die Anlage war jedoch vor der am 28.2.2014 erfolgten Abnahme bereits ab dem 26.4.2013 sukzessiv bezogen worden, was der Betroffene hatte geschehen lassen und dem Bauamt nicht mitgeteilt hatte.
II.
Die hiergegen frist- und formgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einstellung des Verfahrens, weil es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 260 Abs. 3 StPO).
1. Voraussetzung des gerichtlichen Verfahrens ist ein wirksamer Bußgeldbescheid, der den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Vorwürfen abgrenzt (BGHSt 23, 336, 339). Diese Aufgabe erfüllt er in sachlicher Hinsicht, wenn bei vernünftiger Betrachtung für den Betroffenen keine Zweifel über die Identität der Tat entstehen können, also keine Verwechslungsgefahr mit einem anderen einheitlichen Lebensvorgang besteht. Welche Angaben im Einzelnen zur zweifelsfreien Bestimmung der Tat erforderlich sind, ist dabei Sache des Einzelfalls (zum Ganzen Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 66 Rn. 39; KK-Kurz, OWiG, 4. Aufl., § 66 Rn. 48, 58 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., § 66 Rn. 25 jew. m.w.N.).
2. Vorliegend ist es nach Auffassung des Senats von entscheidender Bedeutung, dass dem Betroffenen die Beteiligung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 OWiG) an einer vom Bauherrn über einen längeren Zeitraum hinweg begangenen Ordnungswidrigkeit angelastet wird. Über die - hinreichend konkrete -Umschreibung der "Haupttat" hinaus beschränken sich die Ausführungen zu den dem Betroffenen selbst angelasteten Handlungen auf folgende Angaben, die um die Wiedergabe des Inhalts der Vorschrift des § 45 Abs. 1 LBO BW ergänzt sind:
"Ihnen wird vorgeworfen, als Bauleiter (Bauleiterbestellung vom 26.10.2013) die vom Bauherrn unmittelbar begangene Ordnungswidrigkeit durch Ihr Verhalten kausal gefördert zu haben und somit an einer Ordnungswidrigkeit beteiligt gewesen zu sein. Eine Beteiligung liegt vor, wenn jemand an einer nicht allein von ihm begangenen Handlung bewusst und gewollt mitwirkt."
Daraus ergibt sich zunächst eindeutig, dass dem Betroffenen nicht vorgeworfen wird, eine den Tatbestand (der "Haupttat") unmittelbar verwirklichende Handlung vorgenommen zu haben. Auch unter Berücksichtigung des ergänzend heranzuziehenden Akteninhalts (Rebmann/Roth/Herrmann a.a.O., § 66 Rn. 25 m.w.N.) erschließt sich indes nicht, welche konkrete, als Tatbeiträge gewertete Handlungen des Betroffenen zum Anknüpfungspunkt für den Tatvorwurf gemacht werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass zwischen der (ersten) Ingebrauchnahme des Gebäudes und der Abnahme fast zehn Monate lagen, bleibt danach völlig unklar, welche der - zweifelsfrei - vielfältigen Handlungen des Betroffenen als Bauleiter den Gegenstand des Tatvorwurfs bilden sollen. Damit fehlt es an einer die Tatidentität sichernden hinreichend konkreten Beschreibung der Tat.
III.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass im Übrigen auch Bedenken bestehen, ob das im Urteil festgestellte Geschehen die Verurteilung in sachlicher Hinsicht trägt. Das Amtsgericht hat nicht hinreichend den Pflichtenkreis des Betroffenen in den Blick genommen, der Grundlage des dem Betroffenen angelasteten Unterlassungsvorwurfs ist. Dabei war auch die Vorschrift des § 8 OWiG zu bedenken, wonach bei Erfolgsdelikten im Fall des (unechten) Unterlassens eine Rechtspflicht zur Abwendung des Erfolges Voraussetzung für die Ahndung ist. Es erscheint zweifelhaft, ob sich entspreche...