Normenkette
BGB § 138 Abs. 1; VersAusglG § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Pforzheim (Beschluss vom 02.09.2022; Aktenzeichen 8 F 25/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pforzheim (Az.: 8 F 25/20) vom 02.09.2022 unter Ziffer 2 wie folgt abgeändert:
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.650 EUR festgesetzt,
Gründe
I. Das Beschwerdeverfahren betrifft die Durchführung des Versorgungsausgleichs anlässlich der Ehescheidung der beteiligten Ehegatten. Die Ehegatten streiten über die Wirksamkeit eines Ehevertrages.
Das Familiengericht Pforzheim hat die Ehe durch Verbundbeschluss vom 02.09.2022 geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 02.09.2022 Bezug genommen. Ergänzend ist folgendes festzustellen: Der korrespondierender Kapitalwert des Ausgleichswertes bei der DRV B.-W. (Anrecht Antragsteller) beträgt 71.96,38 EUR, der korrespondierende Kapitalwert des Ausgleichswertes bei der DRV Bund (Anrecht der Antragsgegnerin) beträgt 3.806,69 EUR.
Die Antragsgegnerin hat ihr Studium in der Ukraine im Jahr 2005 beendet und war im Zeitraum vom 18. Oktober 2005 bis zum 18. Oktober 2006 als "Au-Pair" in Deutschland beschäftigt. Das in ihrem Heimatland erworbene Lehrerdiplom wurde in Deutschland nicht anerkannt. Am 23.04.2007 ließ die Antragsgegnerin einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Nach der Eheschließung nahm die Antragsgegnerin für sich und ihre Tochter staatliche Leistungen in Anspruch. Zudem nahm sie im Laufe des Jahres 2008 eine Erwerbstätigkeit auf. Sie war zunächst im Rahmen geringfügiger Beschäftigungen als Aushilfe tätig und weitete ihre Tätigkeit sodann im Rahmen von teilschichtigen Beschäftigungsverhältnissen aus, soweit es die Betreuung ihrer Tochter zuließ. Parallel betrieb sie seit 2012 als Selbständige ein Brautmodengeschäft. Ihre Tochter besuchte den Kindergarten. Bei der Kinderbetreuung wurde die Antragsgegnerin durch ihre Schwiegereltern unterstützt.
Der Antragsteller hat gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs in dem ihm am 08.09.2022 zugestellten Beschluss vom 02.09.2022 mit am 30.09.2022 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, die mit Schriftsatz vom 08.11.2022 begründet wurde.
Der Antragsteller vertritt die Ansicht, es sei bereits zweifelhaft, ob der Ehevertrag objektiv als sittenwidrig angesehen werden könne. Das Familiengericht habe bei dem Vergleich der beiderseitigen Einkommen bzw. Verdienstmöglichkeiten einerseits das Preisniveau im Heimatland der Antragstellerin und andererseits seine zum damaligen Zeitpunkt bereits bestehenden Unterhaltspflichten gegenüber seinen minderjährigen Kindern und seiner geschiedenen Ehefrau übersehen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages hätten Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin aufgrund vorrangiger Unterhaltsansprüche nicht im Raum gestanden.
Bezüglich des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs sei zu berücksichtigen, dass dieser dem Ausgleich ehebedingter Nachteile diene. Unstreitig habe zum Zeitpunkt der Eheschließung kein gemeinsamer Kinderwunsch bestanden. Durch die Betreuung ihrer damals dreijährigen Tochter sei die Antragsgegnerin durch die Eheschließung nicht stärker an einer Erwerbstätigkeit gehindert gewesen, als ohne die Eheschließung. Die Antragsgegnerin habe bei Vertragsabschluss auch keine Hausfrauenehe führen wollen. Sie habe zunächst beabsichtigt, in Deutschland als Grundschullehrerin zu arbeiten. Letztendlich habe sie sich aber für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit entschieden.
Die Antragsgegnerin verfüge über ausreichende Einkünfte. Sie habe am 30.10.2022 in Kenntnis ihrer Versorgungssituation ein neues Brautmodengeschäft eröffnet. Falls die Antragsgegnerin einen geringeren Verdienst erziele als er, beruhe dieser Umstand nicht auf ehebedingten Nachteilen, sondern auf der unterschiedlichen Ausbildung, dem Lebensalter und der Berufserfahrung sowie dem beruflichen Einsatz der beteiligten Ehegatten. Da die Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile erlitten habe, sei der Versorgungsausgleich nicht durchzuführen.
Für die Frage der Sittenwidrigkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs seien ausschließlich die Vorstellungen der Beteiligten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses relevant.
Auch sei die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den gesetzlichen Vorgaben keine zwingende Folge der Ausübungskontrolle.
Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei nicht zu Lasten der Allgemeinheit erfolgt. Die Antragsgegnerin sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erst 25 Jahre alt gewesen. Ihr habe ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, um eigene Rentenanwartschaften zu erwerben. Bei rentenfernen Jahrgängen sei die Prognose, ein Ehegatte sei aufgrund des Verzichts auf den Versorgungsausgleich künftig auf die Grundsicherung angewiesen, p...