Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen: Inhaltliche Anforderungen an ein Auslieferungsersuchen der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation wegen der Teilnahme an Aktivitäten einer terroristischen Organisation
Leitsatz (amtlich)
Auch der Erlass eines Auslieferungshaftbefehls auf Grundlage des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.01.1977 (EuTerrÜbk) setzt eine nachvollziehbare Beschreibung voraus, an welchen konkreten terroristischen Handlungen der Verfolgte teilgenommen haben soll, gegen welche Ziele sich diese richteten und welche Personen in welcher Weise gefährdet wurden. Die bloße Darstellung, der Verfolgte habe in Syrien für eine terroristische Organisation mehrfach an "Feindseligkeiten" teilgenommen und sei mit einer "Kalaschnikov" bewaffnet gewesen, reicht hierfür nicht aus.
Tenor
Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls wird zurückgewiesen.
Gründe
Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls konnte nicht entsprochen werden, da nach derzeitiger Aktenlage davon auszugehen ist, dass sich die Auslieferung des Verfolgten voraussichtlich als nicht zulässig erweisen wird (§ 15 Abs. 2 IRG).
I.
Gegenstand des Verfahrens gegen den sich nicht in Haft befindlichen Verfolgten ist ein Auslieferungsersuchen der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 21.11.2017, mit welchem diese um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht. Der dem Auslieferungsersuchen beigefügte Haftbefehl des Untersuchungsrichters der Untersuchungsabteilung der Verwaltung des Bundessicherheitsdienstes der Russischen Föderation vom 20.06.2017 hat in der dem Senat von den russischen Justizbehörden mitgeteilten deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:
Wird ausgeführt
Die von den russischen Justizbehörden mitgeteilte Vorschrift des Art. 205.5 des russischen Strafgesetzbuches hat in der dem Senat von den russischen Justizbehörden mitgeteilten deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:
II.
Es bestehen vorliegend ernstliche Gründe für die Annahme, dass der Verfolgte wegen einer politischen Tat (Art. 3 Abs. 1 EuAlÜbk, § 6 Abs. 1 IRG) ausgeliefert werden soll (vgl. unten 1) und der von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation im Auslieferungsersuchen vom 21.11.2017 mitgeteilte Sachverhalt nicht unter die Sonderregelungen des Europäische Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.01.1977 (EuTerrÜbk) fällt (vgl. unten 2), so dass der Erlass eines Auslieferungshaftbefehls - jedenfalls derzeit - nicht möglich ist (§ 15 Abs. 2 IRG).
1. Soweit die russischen Justizbehörden dem Verfolgten vorwerfen, er habe sich der terroristischen und in der russischen Föderation verbotenen Organisation "Imarat Kaukasus" angeschlossen und sich von Mai bis August 2014 insoweit in Syrien aufgehalten, handelt es sich um eine politische Straftat, welche nach Art. 3 Abs. 1 EuAlÜbk i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 IRG nicht auslieferungsfähig ist (Senat StraFo 2008, 121; ders. StraFo 2007, 72; ders. StraFo 2006, 510; ders. Beschluss vom 29.06.2017, Ausl 301 AR 101/17, juris). Dies ergibt sich schon daraus, dass die russischen Justizbehörden das dem Verfolgten vorgeworfene Verhalten nach Art. 205.5 des russischen Strafgesetzbuches selbst als "Teilnahme bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation" bezeichnen und unter diesem Gesichtspunkt auch verfolgen. Insoweit schützt die Norm maßgeblich die politische Ordnung, insbesondere den Fortbestand des ersuchenden Staates sowie dessen innere und äußere Sicherheit (vgl. hierzu Vogel in Grützner/Pötz/Kress, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., § 6 IRG Rn. 37; zur politischen Straftat vgl. auch Ahlbrecht/Böhm/Esser/Eckelmanns, Internationales Strafrecht, 2. Auflage 2018 Rn. 821 ff.).
Allein der Umstand, dass der ersuchende Staat die dem Verfolgten vorgeworfene Straftat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von derartigen Staatsschutzbestimmungen verfolgt, nimmt der Strafverfolgung allerdings dann nicht den Charakter kriminellen Unrechts, wenn der hinreichende Verdacht einer zurechenbaren Verletzung individueller Rechtsgüter besteht (Senat a.a.O.). Solche Handlungen sind der Sachverhaltsschilderung indes nicht zu entnehmen. Zwar ergibt sich aus dieser, dass der Verfolgte nicht nur Mitglied dieser verbotenen Organisation gewesen war, sondern sich auch von Mai bis August 2014 in Syrien aufgehalten und dort mehrfach an "Feindseligkeiten" teilgenommen habe und mit einer "Kalaschnikow" bewaffnet gewesen sei. Eine konkrete und dem Verfolgten zurechenbare Verletzung individueller Rechtsgüter ergibt sich hieraus jedoch nicht nachvollziehbar.
2. Auch die Voraussetzungen des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.01.1977 (EuTerrÜbk) liegen -jedenfalls derzeit- nicht vor. Danach gilt für die Zwecke der Auslieferung zwischen den Vertragsstaaten, zu denen auch die Bundesrep...