Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 15. Oktober 1999 im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Wegen fahrlässiger Mißachtung des Rotlichts einer Wechsellichtzeichenanlage hat das Amtsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 15. 10. 1999 gegen die Betroffene eine Geldbuße von 250 DM festgesetzt. Ein Fahrverbot hat das Amtsgericht nicht angeordnet, da trotz Verwirklichung des in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV genannten Tatbestandes der Nr. 34. 2 des Bußgeldkataloges eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG nicht vorliege.

Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge beanstandet, dass kein (Regel-) Fahrverbot verhängt wurde.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat vorläufigen Erfolg.

Die Entscheidung des Amtsgerichts, kein Fahrverbot anzuordnen, hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

Alleinige Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Fahrverbotes wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist - auch bei Taten, bei denen diese Rechtsfolge nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 BKatV in Betracht kommt - § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG (BGHSt 38, 125, 128;  43, 241, 245).

Auf der Tatbestandsseite erfordert diese Vorschrift, daß der Betroffene die Verkehrsordnungswidrigkeit unter grober (oder - was vorliegend nicht in Betracht kommt - beharrlicher) Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat. Eine grobe Pflichtverletzung setzt objektiv einen (abstrakt oder konkret) gefährlichen Verkehrsverstoß und subjektiv groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit des Betroffenen voraus (BGHSt 43, 241, 245/246).

Auf der Rechtsfolgenseite eröffnet § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ein Ermessen ("kann"), ob ein Fahrverbot verhängt wird oder nicht.

Sowohl bei der Prüfung, ob eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG vorliegt, als auch bei der Ausübung des in § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG eröffneten Rechtsfolgeermessens ist § 2 BKatV zu berücksichtigen.

Hat ein Betroffener einen in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 4 BKatV genannten Tatbestand des Bußgeldkataloges (= Katalogtat) verwirklicht, so indiziert dies

1. eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG (= auf den Tatbestand des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG bezogene Indizwirkung) (BGHSt 38, 125, 134;  43, 241, 247),d. h. es wird vermutet,

a) daß der Verkehrsverstoß (abstrakt oder konkret) gefährlich war (objektives Element der groben Pflichtwidrigkeit) und

b) daß der Betroffene subjektiv grob leichtsinnig, grob nachlässig, oder gleichgültig - also besonders verantwortungslos - gehandelt hat (subjektives Element der groben Pflichtwidrigkeit),

2. die Erforderlichkeit und Angemessenheit eines Fahrverbotes (= auf die Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG bezogene Indizwirkung) (vgl. BGHSt 38, 125, 134;  38, 231, 236; BVerfG NJW 96, 1809, 1810).

Im konkreten Einzelfall können jedoch besondere Umstände gegeben sein, die entweder die tatbestandsbezogene (1. ) oder die rechtsfolgenbezogene (2. ) Vermutung entkräften.

1. Es können besondere tatbezogene Umstände (Gesichtspunkte außerhalb der Tat sind hier unbeachtlich vorliegen,

a) die entweder die Vermutung der objektiven Gefährlichkeit der Katalogtat entkräften, was jedoch nur selten der Fall sein wird, wenn nicht nur eine konkrete, sondern auch eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war (BGHSt 43, 241, 248; OLG Karlsruhe NZV 96, 38, 39; Beispielsfälle bei Rotlichtverstößen bei Deutscher NZV 1997, 18, 24 und NZV 1998, 134, 137),

b) oder die die Vermutung entfallen lassen, daß der Betroffene subjektiv die Tat grob leichtsinnig, grob nachlässig oder aus Gleichgültigkeit begangen hat (z. B. wenn nur einfache Fahrlässigkeit in Form des Augenblickversagens gegeben ist, BGHSt 43, 241).

Da § 2 Abs. 4 BKatV das Vorliegen einer (vermuteten) groben Pflichtwidrigkeit voraussetzt, scheidet in diesem Fall eine Erhöhung der Geldbuße nach § 2 Abs. 4 BKatV aus (OLG Karlsruhe ZfS 97, 75).

2. Reichen die besonderen tatbezogenen Umstände nicht aus, die (tatbestandsbezogene) Vermutung der groben Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG zu widerlegen, kann doch die rechtsfolgenbezogene Vermutung der Erforderlichkeit und Angemessenheit des Fahrverbotes entfallen,

a) wenn eine Vielzahl gewöhnlicher Umstände, die für den Betroffenen sprechen, gegeben ist, wobei hier neben den tatbezogenen Umständen auch täterbezogene (= außerhalb der Tat selbst liegende) Gesichtspunkte berücksichtigt werden können,

b) oder wenn das Fahrverbot für den Betroffenen eine erhebliche, unzumutbare Härte wäre (z. B. wegen konkret drohenden Arbeitsplatzverlustes) (BGHSt 38, 125, 134;  38, 231, 237).

Entfällt danach die ...

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