Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Rechtsnachfolgers eines Vertragsteils auf Erteilung einer Abschrift eines Erbvertrags auch gegen den Widerspruch des anderen Vertragsteils
Leitsatz (amtlich)
1. Die Pflicht des Notars zur Erteilung von Urkundenabschriften (§ 51 BeurkG) geht seiner Verschwiegenheitspflicht (§ 18 BNotO) vor. Dem Notar steht insoweit kein Ermessen zu.
2. Haben die Vertragsteile eines Erbvertrags nicht gemeinsam etwas anderes bestimmt, ist der die Vertragsurkunde verwahrende Notar jedem dies verlangenden Gesamtrechtsnachfolger eines Vertragsteils zur Erteilung einer Abschrift auch dann verpflichtet, wenn der andere noch lebende Vertragsteil dem widerspricht.
3. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Erbvertrag ausschließlich eine letztwillige Verfügung des überlebenden und der Abschriftserteilung widersprechenden Vertragsteils enthält.
Normenkette
BGB §§ 2264, 2300; FGG § 34; BeurkG §§ 51, 64; BNotO § 18; Bad.-Württ. LFGG § 20
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 21.09.2006; Aktenzeichen 4 T 156/06) |
Notariat Ettenheim (Aktenzeichen GR N 302/2005) |
Tenor
1. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten Nr. 2, 4 und 5 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Freiburg vom 21.9.2006 - 4 T 156/06 - werden mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass ihre Erstbeschwerden unter Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses als unzulässig verworfen werden..
2. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten Nr. 3 wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Freiburg vom 21.9.2006 - 4 T 156/06 - abgeändert:
a) Auf die Beschwerde der Beteiligten Nr. 3 wird die Verfügung des Notariats Ettenheim vom 16.2.2006 über die Nichterteilung einer unbeglaubigten Abschrift der am 28.11.1972 beim Notariat I Lahr errichteten öffentlichen Urkunde (I H 1456/72 Notariat Lahr) aufgehoben.
b) Das Notariat Ettenheim wird angewiesen, der Beteiligten Nr. 3 eine unbeglaubigte Abschrift der am 28.11.1972 beim Notariat I Lahr errichteten öffentlichen Urkunde (I H 1456/72 Notariat Lahr - notarieller Erbvertrag zwischen der Erblasserin und dem Beteiligten Nr. 1) zu erteilen.
3. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die fünf Beteiligten sind als die Kinder der am 14.8.2005 verstorbenen Erblasserin deren Erben zu je 1/5 Erbteil geworden. Einen entsprechenden Gemeinschaftlichen Erbschein hat das Notariat - Nachlassgericht - Ettenheim am 17.1.2006 erteilt (I, 65).
Am 28.11.1972 hatten die Erblasserin und der Beteiligte Nr. 1 einen notariellen Erbvertrag (I H 1456/72 Notariat Lahr) geschlossen. Die Urschrift der Vertragsurkunde befindet sich in der Verwahrung des Notariats Ettenheim, eine beglaubigte Fotokopie der Vertragsurkunde befindet sich als Dauernde Beilage bei der die Erblasserin betreffenden Nachlassakte. Nach dem Tode der Erblasserin ist eine Eröffnung des Erbvertrags nicht erfolgt, weil dieser nach Feststellung des Nachlassrichters keine erbrechtlichen Bestimmungen auf Ableben der Erblasserin enthält (Verfügung vom 16.12.2005, I, 29).
Mit Schriftsatz der Rechtsanwälte K. u. Koll. vom 9.2.2006 (I, 71) hat die Beteiligte Nr. 3 beim Notariat Ettenheim beantragt, ihr eine unbeglaubigte Abschrift des Erbvertrags vom 28.11.1972 zu überlassen. Zur Begründung hat sie auf eine erbrechtliche Auseinandersetzung, an der auch der Beteiligte Nr. 1 beteiligt sei, hingewiesen. Unter dem 16.2.2006 hat der Nachlassrichter beim Notariat Ettenheim, der zugleich Notar ist, die Überlassung der Abschrift mit der Begründung versagt, dass "Ablichtungen von Urkunden nur den daran Beteiligten oder mit deren Einverständnis erteilt werden können" (I, 71). Hiergegen haben die Beteiligten Nr. 2-5 durch Schriftsatz der Rechtsanwälte K. u. Koll. vom 2.6.2006 (I, 79/83) Beschwerde eingelegt. Unter dem 13.6.2006 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Nachlassakte dem LG Freiburg zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt (I, 85).
Mit Beschluss vom 21.9.2006 (II, 21/29) hat das LG die Beschwerden der Beteiligten Nr. 2 bis 5 gegen die Versagung der Abschriftserteilung zurückgewiesen. Hiergegen haben sie mit Anwaltsschriftsatz vom 16.10.2006 (II, 43/49) weitere Beschwerde eingelegt.
II. Die Rechtsmittel der Beteiligten Nr. 2-5 sind zulässig, weil gegen eine die Verweigerung der Abschrifterteilung durch das Nachlassgericht bestätigende Beschwerdeentscheidung die unbefristete weitere Beschwerde gem. § 27 Abs. 1 FGG bzw. § 54 Abs. 2 S. 1 BeurkG statthaft ist (dass das BeurkG auch für die Notare im badischen Rechtsgebiet gilt, ergibt sich unmittelbar aus § 64 BeurkG) und die Beteiligten mit der Erstbeschwerde erfolglos geblieben sind; darauf, ob das Beschwerdegericht die Zulässigkeit der Erstbeschwerde zu Recht angenommen hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (Meyer/Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, Rz. 10 zu § 27, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung). In der Sache hat freilich nur das Rechtsmittel der Beteiligten Nr. 3 Erfolg...