Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweissicherung gegen einen Gebäudeversicherer nach unzulänglichen Reparatur- und Sanierungsarbeiten in einem Wohnhaus
Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff des "rechtlichen Interesses" in § 485 Abs. 2 ZPO ist weit zu verstehen; es reicht aus, dass bei einer summarischen Prüfung Ansprüche zwischen den Parteien nicht ausgeschlossen sind, für welche die Beweisfragen Bedeutung erlangen können.
2. Die Schlüssigkeit eines möglichen Anspruchs des Antragstellers ist im Rahmen von § 485 Abs. 2 ZPO nicht zu prüfen. Bei unvollständigem Sachvortrag der Parteien ist eine Beweissicherung bereits dann anzuordnen, wenn unter den gegebenen Umständen ergänzendes Vorbringen in Betracht kommt, das zu einem schlüssigen Anspruch führen kann.
3. Es kommt auch nicht auf die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Anspruchs des Antragstellers an. Eine Beweissicherung ist nur dann abzulehnen, wenn Ansprüche von vornherein ganz offensichtlich aussichtslos sind.
Normenkette
ZPO § 485 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 07.02.2013; Aktenzeichen 14 OH 18/11) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Freiburg vom 7.2.2013 - 14 OH 18/11 - aufgehoben.
2. Es ist nach Maßgabe der Antragsschrift vom 19.10.2011 und des Schriftsatzes des Antragstellervertreters vom 2.10.2012 Beweis zu erheben. Die weiter erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen werden dem LG übertragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller unterhält bei der Antragsgegnerin eine Gebäudeversicherung für sein Wohnhaus in B.. Am 7.12.2010 ereignete sich in dem Gebäude ein Wasserschaden. Wegen dieses Schadensfalls machte der Antragsteller Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gegen die Antragsgegnerin geltend. In der Folgezeit wurden Reparatur- und Sanierungsarbeiten am Wohnhaus des Antragstellers von der S. Sanierung GmbH durchgeführt. Der Antragsteller hält die durchgeführten Sanierungsarbeiten für mangelhaft. Er ist der Auffassung, die Antragsgegnerin sei als Versicherer für die mangelhafte Sanierung verantwortlich. Daher stünden ihm Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu.
Der Antragsteller hat vor dem LG im Hinblick auf die ihm nach seiner Meinung gegen die Antragsgegnerin zustehenden Ansprüche die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt. Durch ein schriftliches Sachverständigengutachten solle geklärt werden, welche Mängel nach den Arbeiten der S. Sanierung GmbH (im Folgenden abgekürzt: S.) im Wohnhaus des Antragstellers vorhanden seien, und welche Kosten zur Mangelbeseitigung erforderlich seien. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten, da Ansprüche des Antragstellers bei mangelhaften Sanierungsarbeiten nur gegen das Unternehmen S. und nicht gegen die Antragsgegnerin als Versicherer in Betracht kämen.
Das LG hat zunächst mit Beschlüssen vom 14.9.2012 und ergänzend vom 9.10.2012 die beantragte Beweiserhebung angeordnet. Die Antragsgegnerin hat gegen diese Entscheidungen Einwendungen erhoben. Daraufhin hat das LG mit Beschluss vom 7.2.2013 die Beschlüsse vom 14.9.2012 und vom 9.10.2012 aufgehoben, und den Antrag des Antragstellers auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens als unzulässig verworfen. Die Voraussetzungen für eine Beweisanordnung seien nicht gegeben. Denn der Antragsteller habe kein rechtliches Interesse i.S.v. § 485 Abs. 2 ZPO an der Einholung des beabsichtigten Gutachtens. Ansprüche des Antragstellers könnten allenfalls gegenüber dem Unternehmen S., nicht jedoch gegenüber der Antragsgegnerin in Betracht kommen. Es gehe um Schadensersatz- oder Gewährleistungsansprüche aus einem Werkvertrag, für welche nur das Unternehmen S. als Schuldnerin in Betracht komme, und nicht die Antragsgegnerin als Versicherer.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Er hält an seinem Beweissicherungsantrag fest. Ein rechtliches Interesse sei gegeben, da das Sanierungsunternehmen nicht vom Antragsteller, sondern von der Antragsgegnerin im Rahmen der Schadensregulierung unmittelbar beauftragt worden sei. Daher sei die Antragsgegnerin im Verhältnis zum Antragsteller für mangelhafte Leistungen bei der Sanierung verantwortlich.
Die Antragsgegnerin ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten. Das LG habe zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller selbst, und nicht die Antragsgegnerin, das Sanierungsunternehmen beauftragt habe.
Das LG hat mit Beschluss vom 22.3.2013 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Entscheidung vorgelegt.
Die Parteien hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. Die gem. § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren liegen vor.
1. Das LG Freiburg ist örtlich zuständig gem. § 486 Abs. 2 ZPO. Denn das LG wäre auch für die Durch...