Leitsatz (amtlich)

Der Verlust der Selbststellereigenschaft eines Strafgefangenen durch den Vollzug eines Vollstreckungshaftbefehls begründet kein nachträgliches Feststellungsinteresse i.S.v. § 28 I S. 4 EGGVG hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Vollstreckungshaftbefehls.

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Entscheidung vom 28.09.2000; Aktenzeichen 1 Ls 309 Js 10138/98)

 

Tenor

  • 1.

    Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 28.11.2002 -Zs 1900/02- wird auf Kosten des Antragstellers als unbegründet verworfen.

  • 2.

    Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller wurde durch das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28. September 2000 -1 Ls 309 Js 10138/98- wegen Betruges und anderer Delikte unter Einbeziehung früherer Verurteilungen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Rechtskraft dieses Urteil trat am 08.02.2001 ein.

Auf Grund des Vollstreckungshaftbefehls der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 26.09.2002 wurde der Antragsteller am 16.10.2002 ergriffen und dem Strafvollzug zugeführt. Mit seinem an die Staatsanwaltschaft Mannheim gerichteten Antrag vom 18.10.2002 begehrte der Antragsteller, der Haftbefehl vom 26.09.2002 solle für rechtswidrig erklärt werden. Diesen Antrag lehnte die Staatsanwaltschaft Mannheim am 22.10.2002 ab. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde des Antragstellers wies die Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe am 28.11.2002 zurück. Hiergegen richtet sich der Antragsteller mit seinem am 08.01.2003 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er beantragt festzustellen, dass der Vorführbefehl der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 01.08.2002 und der Vollstreckungshaftbefehl vom 26.09.2002 rechtswidrig waren.

Der Antrag ist, da den Akten nicht zu entnehmen ist, wann dem Antragteller der Bescheid des Generalstaatsanwaltes zugegangen ist, als rechtzeitig und zulässig anzusehen. Der Antrag ist indessen unbegründet.

Hat sich eine Maßnahme einer Justizbehörde, zu deren Überprüfung der Rechtsweg des § 23 EGGVG eröffnet ist, erledigt, so entscheidet das Gericht nachträglich über die Frage ihrer Rechtswidrigkeit, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, die Maßnahme sei rechtswidrig gewesen (§28 Abs. 1 S. 4 EGGVG).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Entscheidung gem. § 28 Abs.1 Satz 4 EGGVG nicht gegeben. Zwar ist der Rechtsweg gem. § 23 EGGVG eröffnet, wenn ein Verurteilter die Rechtmäßigkeit eines Vollstreckungshaftbefehls in Frage stellt (OLG Düsseldorf MDR 1989, S. 1016; OLG Hamm NStZ 1987, S. 183 f.). Da der Vollstreckungshaftbefehl wegen seiner begrenzten Zweckbestimmung in dem Augenblick gegenstandslos wird, in dem der Verurteilte in Strafhaft überführt ist, ist er im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG erledigt. Die folgende Vollstreckung der Strafhaft beruht auf dem zu vollstreckenden rechtskräftigen Urteil des Amtgerichts und nicht mehr auf dem Vollstreckungshaftbefehl der Staatsanwaltschaft. Für die Annahme eines Feststellungsinteresses des Antragstellers i.S.v. § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG wäre erforderlich, dass noch eine die gegenwärtigen persönlichen Interessen des Antragstellers berührende Sachlage als Folge der erledigten Maßnahme gegeben wäre (OLG Hamm, NStZ 1982,524).

a)

Dies wäre z.B. zu bejahen, wenn die Gefahr der Wiederholung der Maßnahme bestünde. Hiervon kann vorliegend keine Rede sein. Der Antragsteller selbst spricht lediglich von einer "abstrakten" Wiederholungsgefahr. Die notwendige substantiierte Darlegung einer möglichen Wiederholung der Maßnahme (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. EGGVG § 28 Rdnr. 6) fehlt gänzlich.

b)

Ebenso wenig kann ein Feststellungsinteresse damit begründet werden, der erledigten Maßnahme wohne ein fortbestehender diskriminierender Charakter inne. Dies hat schon der Antragsteller nicht geltend gemacht, und es ist auch sonst nicht ersichtlich, inwiefern der Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls hinsichtlich einer zu vollstreckender Freiheitsstrafe verurteilten Person diskriminierenden Charakter habe könnte.

c)

Auch die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 30.04.1977 und vom 19.06.1997 (StV 1997, S. 393 ff. und 505 f.) zum nachträglichen Rechtsschutz bei Fällen "tief greifender Grundrechtseingriffe" gebildet hat, gebieten nicht die nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollstreckungshaftbefehls, weil die Beeinträchtigung des Freiheitsrechtes nicht vorrangig auf dem Vollstreckungshaftbefehl, sondern maßgeblich auf dem zu vollstreckenden rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts beruht.

d)

Die nicht näher substantiierte Behauptung des Antragstellers, er erleide im Vollzug Nachteile, weil er nicht als "Selbststeller" gelte, ist nicht geeignet, die Annahme zu begründen, seine gegenwärtigen persönlichen Interessen seien als Folge der Vollstreckung...

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