Leitsatz (amtlich)
Feststellender Beschluss der Berufungskammer zum Umfang der Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils durch die Staatsanwaltschaft bei Streit über eingetretene Teilrechtskraft.
1. Ein feststellender Beschluss der Berufungskammer ist entsprechend § 322 Abs. 1 StPO zur Klärung der im Streit stehenden Frage zulässig, ob eine zu Ungunsten der Angeklagten von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung unbeschränkt eingelegt wurde oder ob die Anfechtung nur einzelne prozessuale Taten umfasst und hinsichtlich einer anderen Tat (horizontale) Teilrechtskraft eingetreten ist. Der Beschluss kann entsprechend § 322 Abs. 2 StPO mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.
2. Der Umstand allein, dass mit der gem. § 317 StPO von der Staatsanwaltschaft abgegebenen Berufungsbegründung nur das vom Amtsgericht wegen einzelner prozessualer Taten festgesetzte und von der Staatsanwaltschaft als zu gering empfundene Strafmaß beanstandet wird, während die Berufungsbegründung zu einem erfolgten (Teil-) Freispruch wegen einer anderen Tat schweigt, lässt den Schluss nicht zu, dass die Staatsanwaltschaft mit ihrer urprünglich unbeschränkt eingelegten Berufung den (Teil-) Freispruch von ihrem Rechtsmiitelangriff ausnehmen will.
Normenkette
StPO §§ 322, 317-318
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Entscheidung vom 21.10.2020; Aktenzeichen 2 Ls 420 Js 14794/20) |
LG Karlsruhe (Entscheidung vom 26.04.2021; Aktenzeichen 11 Ns 420 Js 14794/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 26.04.2021 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe hinsichtlich der Angeklagten A. F. gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Karlsruhe vom 21.10.2020 (2 Ls 420 Js 14794/20) eingelegte Berufung nicht beschränkt ist.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Karlsruhe verurteilte die Angeklagte mit Urteil vom 21.10.2020 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 10 Fällen (Taten Ziff. 2-11) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten und sprach sie von dem weiteren Tatvorwurf eines gemeinsam mit ihrem Ehemann verübten schweren Wohnungseinbruchsdiebstahls nach § 244 Abs. 4 StGB (Tat Ziff. 1) frei.
Gegen das Urteil legten die Staatsanwaltschaft zu Ungunsten der Angeklagten und die Angeklagte jeweils fristgerecht Berufung ein. Ihre dem Wortlaut nach unbeschränkt eingelegte Berufung begründete die Staatsanwaltschaft Karlsruhe nach Zustellung des schriftlichen Urteils am 27.11.2020 am 30.11.2020 wie folgt: "Die Verurteilung wird dem Schuldgehalt der Taten und der Persönlichkeit der Angeklagten nicht gerecht."
Mit Verfügung vom 16.12.2020 wurden die Akten nach § 321 StPO dem Berufungsgericht vorgelegt. In der Folge stellte die Staatsanwaltschaft auf einen Hinweis des Vorsitzenden klar, dass eine Beschränkung ihrer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht gewollt sei, sondern eine Verurteilung auch hinsichtlich des Tatvorwurfs angestrebt werde, von dem die Angeklagte in erster Instanz freigesprochen worden sei.
Die Berufungskammer ist der Auffassung, die Berufung der Staatsanwaltschaft sei wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der abgeurteilten Taten beschränkt worden. Sie hat mit der Staatsanwaltschaft am 04.05.2021 zugestelltem Beschluss vom 26.04.2021 festgestellt, dass die die Angeklagte betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 21.10.2020 wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und der darin enthaltene Teilfreispruch rechtskräftig sei. Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft am 06.05.2021 sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Feststellungsbeschlusses vom 26.04.2021.
1. Die sofortige Beschwerde ist entsprechend § 322 Abs. 2 StPO zulässig (zur entsprechenden Anwendung des § 322 StPO s. unter 2. a)).
2. Die Beschwerde ist begründet. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung ist die Berufung der Staatsanwaltschaft nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, sondern unbeschränkt eingelegt. Der Teilfreispruch bezüglich Tat Ziff. 1 ist damit noch nicht rechtskräftig.
a) Die vom Landgericht getroffene Vorabentscheidung entsprechend § 322 Abs. 1 StPO ist zulässig. Eine analoge Anwendung des § 322 Abs. 1 Satz 1 StPO ist für die Fälle anerkannt, dass zwischen Verfahrensbeteiligten streitig ist, ob eine Berufung wirksam zurückgenommen worden ist. In diesen Fällen kann entsprechend § 322 Abs. 1 S. 1 StPO durch das Rechtsmittelgericht die Erledigung des Rechtsmittels festgestellt werden (BGH, Beschl. vom 12.07.2000, 3 StR 257/00, NStZ 2001, 104; BGH, Beschl. vom 14.10.2014, 3 StR 421/14, BeckRS 2014, 22857; BGH, Beschl. v. 15.04.2015, 1 StR 112/15, NStZ-RR 2016, 24; SK/Frisch, 5. Aufl. 2016, § 322 Rn 5; L-R/Gössel, StPO, 26. Aufl. 2012, § 322 Rn 7). Gegen den Feststellungsbeschluss ist in diesem Fall entsprechend Abs. 2 sofortige Beschwerde möglich (SK/Frisch a.a.O.; MüKo...