Leitsatz (amtlich)
1. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen über die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO kann nicht darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer unzutreffenden Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung beruht.
2. Die Klage auf Abänderung einer Jugendamtsurkunde unterliegt nicht den Beschränkungen des § 323 Abs. 2 ZPO. Sie kann deshalb auch darauf gestützt werden, dass die zu Grunde liegenden Verhältnisse schon damals nicht den Tatsachen entsprochen haben (vgl. BGH v. 27.6.1984 – IV ZR 21/83, FamRZ 1984, 997).
Normenkette
ZPO § 323 Abs. 2, § 769
Verfahrensgang
AG Bruchsal (Beschluss vom 23.04.2002; Aktenzeichen 2 F 106/02) |
Tenor
I. 1. Die gegen Nr. 1 des Beschlusses des AG – FamG – Bruchsal vom 23.4.2002 – 2 F 106/02 – gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers wird verworfen.
2. Im Umfang der Verwerfung trägt der Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens betreffend die Ablehnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung wird auf 241,75 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
II. 1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird Nr. 2 des Beschlusses des AG – FamG – Bruchsal vom 23.4.2002 – 2 F 106/02 – aufgehoben.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ohne Ratenzahlungspflicht zur Abänderung der Jugendamtsurkunde des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.4.2001 – UR … – auf 243 Euro monatlich ab März 2002 bewilligt und Rechtsanwältin Herberger, Waghäusel, beigeordnet.
2. Im Übrigen werden der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
A. Durch Vergleich vom Mai 1999 verpflichtete sich der Antragsteller, an die 1995 geborene Antragsgegnerin als seinem Kind einen laufenden monatlichen Unterhalt nach Gruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle (447 DM) abzüglich des hälftigen staatlichen Kindergeldes (125 DM) sowie einen krankheitsbedingten Mehrbedarf (78 DM), insgesamt 400 DM, zu zahlen; nach § 3 des Vergleichs ist der Mehrbedarf solange geschuldet, als die Antragsgegnerin an der – auch heute noch vorhandenen – Erkrankung leidet (AS 125). Durch die Errichtung einer Jugendamtsurkunde am 12.4.2001 erhöhte der Antragsteller seine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt ab April 2001 auf 530 DM (= 270,98 Euro, AS 11).
Im vorliegenden Verfahren verfolgt der Antragsteller die Abänderung der Jugendamtsurkunde auf monatlich 178 – ab März 2002: Infolge der Aufgabe seiner selbständigen Erwerbstätigkeit zum 1.7.2001 habe sich sein unterhaltspflichtiges Einkommen von 5.000 DM auf 1.017 Euro vermindert. Die Antragsgegnerin ist dem Begehren entgegen getreten.
Durch den angegriffenen Beschluss hat das FamG – in Nr. 1 – den Antrag des Antragstellers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Jugendamtsurkunde zurückgewiesen und – in Nr. 2 – die nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der das FamG nicht abgeholfen hat.
B. I. 1. Die gegen die Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde ist nach der ständigen – mit der h.M. übereinstimmenden – Rspr. der Senate des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe v. 17.7.1997 – 20 WF 37/97 – nicht veröffentlicht; v. 11.8.1998 – 2 WF 76/98, FamRZ 1999, 1000; v. 5.1.1995 – 16 WF 214/94, FamRZ 1996, 1486; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 769 ZPO Rz. 13 m.w.N.) zu verwerfen, da gegen Entscheidungen nach § 769 ZPO in entspr. Anwendung des § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO grundsätzlich kein Rechtsmittel statthaft ist, es sei denn, das das Einstellungsgesuch verbescheidende Gericht habe eine greifbar rechtswidrige Entscheidung getroffen, insb. die objektiven Voraussetzungen für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung zu Unrecht verneint bzw. angenommen oder sonst die gesetzlichen Grenzen seines Ermessensspielraums grundlegend verkannt.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat das FamG – wie nachstehend aus II.1. ersichtlich – seiner Entscheidung eine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde gelegt, also die Erfolgsaussichten der Abänderungsklage verkannt. Die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung stellt aber nur einen Faktor der im Rahmen der Entscheidung nach § 769 ZPO vorzunehmenden Ermessensausübung dar. Sie zählt nicht zu den objektiven Voraussetzungen für eine Einstellungsentscheidung, weil sich diese nur auf die Frage beziehen, ob überhaupt Ermessen ausgeübt werden kann. Eine Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung würde zudem, weil die Ermessensfreiheit des Prozessgerichts beeinträchtigend, zu einer stets ausgeschlossenen – mittelbar vorgreiflich – sachlichen Beurteilung der Hauptsache durch das Beschwerdegericht führen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 769 Rz. 13 m.w.N.). Eine weitgehende Nachprüfung der angegriffenen Entscheidung auf materielle Rechts...