Leitsatz (amtlich)
Die Ladung eines dauernd im Ausland lebenden Angeklagten darf die in § 216 Abs.1 Satz 1 StPO vorgeschriebene Androhung von Zwangsmitteln für den Fall des unentschuldigten Ausbleibens nicht enthalten. Jedoch ist eine dem § 216 StPO genügende modifizierte Warnung über die Folgen des Nichterscheinens des im Ausland auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten dann zulässig, wenn diese den eindeutigen einschränkenden Hinweis enthält, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahme ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung, also im Inland, erfolgt.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 31.07.2014) |
Tenor
Die weitere Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 31. Juli 2014 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
Gegen den Angeklagten wird beim Amtsgericht Emmendingen ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässigem Fahren ohne Fahrerlaubnis geführt. Mehrere Anläufe zur Durchführung der Hauptverhandlung scheiterten, weil der sich vermutlich in Rumänien aufhaltende Angeklagte nicht zu den Terminen erschien. Mit Verfügung vom 3.2.2014 beraumte das Amtsgericht Emmendingen weiteren Termin zur Hauptverhandlung auf den 13.5.2014 an und ordnete die Ladung des Angeklagten unter seiner Anschrift in Rumänien gegen Einschreiben mit Rückschein an. Das in die rumänische Sprache übersetzte Ladungsschreiben, dem eine Übersetzung des Strafbefehlsantrags beigefügt war, war mit der Warnung versehen, dass bei einem Ausbleiben im Termin ein Haftbefehl ergehen kann, der allerdings nur im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland vollstreckt werde. Nachdem der Rückschein zur Akte gelangt und der Angeklagte im Hauptverhandlungstermin vom 13.5.2014 nicht erschienen war, erließ das Amtsgericht Emmendingen am 4.6.2014 einen Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten wies das Landgericht Freiburg mit dem angefochtenen Beschluss vom 31.7.2014 zurück. Hiergegen richtet sich die am 12.8.2014 eingelegte weitere Beschwerde des Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Die weitere Beschwerde ist zulässig (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, § 310 Rn. 5 und 7 m.w.N.), aber unbegründet.
Soweit mit dem Rechtsmittel geltend gemacht wird, dem Erlass eines Haftbefehls habe entgegengestanden, dass die Ladung des Angeklagten sei wegen der ihr beigefügten Warnung unwirksam gewesen sei, kann dem nicht gefolgt werden.
Allerdings darf nach wohl überwiegender Meinung die Ladung eines dauernd im Ausland lebenden Angeklagten die in § 216 Abs.1 Satz 1 StPO vorgeschriebene Androhung von Zwangsmitteln für den Fall des unentschuldigten Ausbleibens nicht enthalten, da dies die Androhung der Ausübung hoheitlicher Gewalt auf dem Gebiet eines fremden Staates darstellt, die entsprechend dem Territorialitätsprinzip unzulässig ist (KG StraFo 2013, 425; OLG Brandenburg St\/ 2009, 348; OLG Köln NStZ-RR 2006, 22; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 18; KK-Gmel, 7. Auflage 2013, § 216 Rn. 5 m.w.N.). Jedoch ist eine dem § 216 StPO genügende modifizierte Warnung über die Folgen des Nichterscheinens des im Ausland auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten dann zulässig, wenn diese - wie vorliegend - den eindeutigen einschränkenden Hinweis enthält, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahme ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung, also im Inland, erfolgt. Insoweit handelt es sich nämlich nicht um eine möglicherweise völkerrechtswidrige "Androhung" eines Zwangsmittels, sondern lediglich um die gesetzlich vorgeschriebene Darstellung der deutschen Rechtslage zum Schutz des sich im Ausland aufhaltenden Ladungsempfängers (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.4.2014 - 1 Ws 55/14; KG NStZ 2011, 653; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010, 49; OLG Rostock NStZ 2010, 412; KK-Gmel, a.a.O., § 216 Rn. 5; SK-StPO-Deiters, 4. Aufl. 2011, § 216 Rn.5; Ritscher in Graf, StPO, 2. Auf!. 2012; § 216 Rn. 6; a.A. KG StraFo 2013, 425).
Hinsichtlich der weiteren - mit der weiteren Beschwerde nicht ausdrücklich weiterverfolgten - Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Ladung kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 7387310 |
NStZ-RR 2015, 2 |
NStZ-RR 2015, 283 |
StV 2015, 346 |