Verfahrensgang

AG Waldshut-Tiengen (Entscheidung vom 12.06.2016)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Waldshut-Tiengen vom 12. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere strafrichterliche Abteilung des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Waldshut-Tiengen verurteilte den Angeklagten am 12.07.2016 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro, entzog ihm die Fahrerlaubnis und setzte eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von weiteren "zwölf Monaten" fest, nachdem der Führerschein des Angeklagten "bereits seit zwei Monaten sichergestellt beziehungsweise beschlagnahmt" sei.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte am 18.07.2016 Rechtsmittel eingelegt, das er am 08.09.2016 nach zuvor am 12.08.2016 erfolgter Urteilszustellung als Revision bezeichnet und als solche begründet hat; diese stützt er jeweils unter weiteren Ausführungen - auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts und beantragt die Aufhebung des Urteils sowie die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat nach § 349 Abs. 4 StPO ebenso angetragen.

1. Das Rechtsmittel ist als Sprungrevision nach § 335 StPO zulässig und hat (vorläufig) Erfolg.

Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge zieht seine Aufhebung nach sich (§ 353 StPO), sodass von der weiteren Erörterung der geltend gemachten Verfahrensrügen abgesehen werden konnte (vgl. aber grundsätzlich unten 3.); die tatrichterliche Beweiswürdigung leidet ebenso an einem Darlegungsmangel wie der Strafausspruch nicht frei von Rechtsfehlern ist.

a) Die Feststellungen des Vordergerichts zum Zeitpunkt der Alkoholaufnahme durch den Angeklagten - vor Fahrtantritt am Morgen des Tattags um 6:00 Uhr - finden in seiner Beweiswürdigung keine hinreichende Stütze

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu Folgendes ausgeführt:

"Dort wird zwar noch nachvollziehbar dargelegt, warum aufgrund der durch Vernehmung des Polizeibeamten W. eingeführten Äußerungen des Angeklagten am Tattag davon ausgegangen werden kann, dass dieser am fraglichen Morgen gegen 6:00 Uhr mit dem Kraftfahrzeug von seiner Wohnanschrift zu seiner Arbeitsstelle gefahren ist. Zu der Frage, ob der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt den Alkohol aufgenommen hatte, der bei der Untersuchung der ihm um 13:52 Uhr entnommenen Blutprobe zu Ergebnissen 1,96 Promille führte, verhält sich die Beweiswürdigung jedoch nicht in ausreichendem Maße. Insoweit wird in den Urteilsgründen lediglich Folgendes festgestellt:

"Für einen Nachtrunk gab es keine Anhaltspunkte, insbesondere auch deshalb, weil sich der Angeklagte nach Aufgreifen in seinem Büro in ständiger, polizeilicher Begleitung befand."

Dies ist vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte nach dem vom Amtsgericht festgestellten Ablauf (Fahrt des Angeklagten zu seiner Arbeitsstelle in Waldshut um 6:00 Uhr, Erscheinen der Polizeibeamten dort [hierzu fehlen jegliche Zeitangaben im Urteil], anschließendes Verbringen in das psychiatrische Behandlungszentrum Waldshut, dort Bemerken von Anzeichen für eine Alkoholisierung, Entnahme einer Blutprobe um 13:52 Uhr nach einer entsprechenden Anordnung des Ermittlungsrichters um 13:35 Uhr) naheliegend vor dem Erscheinen der Polizeibeamten bereits mehrere Stunden an seiner Arbeitsstelle aufgehalten hat, nicht nachvollziehbar."

Dem tritt der Senat bei. Die Überzeugungsbildung des Tatgerichts erfordert eine ausreichende objektive Grundlage; die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren Beweisgrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen sich nicht lediglich als bloße Vermutungen erweisen (BGH, Urteil vom 07.09.2016 - 1 StR 154/16 -, [...] Rn. 43 m.w.N.). Die auf Rechtsfehler beschränkte Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts enthebt das Tatgericht daher nicht vom Erfordernis, die Tatsachenfeststellungen für das Revisionsgericht insgesamt nachvollziehbar - plausibel - zu machen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 337, Rn. 26 m.w.N.).

b. Auch die Begründung der Ablehnung einer alkoholbedingten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nach § 21 StGB, die gegebenenfalls eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB nach sich zöge, vermag nicht zu tragen.

a. Bereits im Ansatz legt das Vordergericht seinen Erwägungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten ein nicht zutreffend berechnete hier maximal gebotene - Blutalkoholkonzentration von 2,46 Promille zur Tatzeit zu Grunde.

Nach ständiger Rechtsprechung ist zur Ermittlung der maximalen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit im Hinblick auf die Feststellung der Schuldfähigkeit anhand einer nach der Tat entnommenen Blutprobe zu Gunsten des Angeklagten für den gesamten Rückrechnungszeitraum ein stündlicher Abbauwert von 0,2 P...

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