Leitsatz (amtlich)

Auf ein sog. Augenblicksversagen wegen bloßen Übersehens eines Verkehrszeichens kann sich derjenige nicht berufen, der durch sein vorheriges sorgfaltswidriges Verhalten selbst in grob nachlässiger Weise zu seiner eigenen Unaufmerksamkeit beigetragen hat. Das gilt auch für den Fall einer beharrlichen Pflichtverletzung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV, wenn bei einer innerörtlichen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h die an sich erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h in erheblicher Weise (hier: 9 km/h) überschritten wird.

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts K. vom 27. September 2002 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 60 Euro verurteilt und ihr gleichzeitig für die Dauer von einem Monat untersagt, Kraftfahrzeuge jeglicher Art im Straßenverkehr zu führen. Nach den Feststellungen hatte sie am 27. 02. 2002 gegen 11. 58 in Karlsruhe die Kaiserstraße vom Durlacher Tor kommend in Richtung W-Straße mit einer Geschwindigkeit von 59 km/h befahren und dabei die dort angebrachte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h missachtet.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit welcher sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und den Wegfall des verhängten Fahrverbots anstrebt.

II.

Der Rechtsbeschwerde bleibt ein Erfolg versagt.

1.

Der Schuldspruch wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung nach §§ 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG ist vorliegend in Rechtskraft erwachsen, da das Rechtsmittel wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist. Zwar hat der Verteidiger eine solche Begrenzung nicht ausdrücklich erklärt, jedoch ergibt sich dies aus der Begründung der Rechtsbeschwerde zweifelsfrei (vgl. BGH NJW 1956, 756 f. ; LR-Hanack, StPO, 25. Aufl. 1999, § 344 Rn. 9; die Entscheidung OLG Köln VRS 101, 218 ff. betrifft eine andere Fallgestaltung). Diese wendet sich nur gegen das Fahrverbot, in dessen Verhängung sie eine unzumutbare Härte für die Betroffene sieht. Dass der Schuldspruch selbst nicht der Anfechtung unterliegen soll, ergibt sich auch daraus, dass die Betroffene die ihr vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung vor dem Amtsgericht nicht in Abrede gestellt und der Verteidiger in seinem Schlusswort auf die Verhängung einer erhöhten Geldbuße unter Wegfall des Fahrverbot angetragen hat.

Das Rechtsmittel erfasst gleichwohl den gesamten Rechtsfolgenausspruch, da zwischen der Höhe der Geldbuße und der Anordnung des Fahrverbots eine Wechselwirkung besteht, die eine Beschränkung der Rechtsbeschwerde innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs allein auf die Verhängung des Fahrverbots ausschließt (BGHSt 24, 11 ff. ; OLG Karlsruhe NZV 1996, 206 f. ; VRS 97, 198 f. ).

2.

Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und deshalb bereits unzulässig.

3.

Auch die aufgrund der erhobenen Sachrüge erfolgte Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben. Insbesondere ist das vom Amtsgericht verhängte Fahrverbot - die Geldbuße entspricht dem Regelfall nach Nr. 11. 3. 5 BKat - im Ergebnis nicht zu beanstanden, da gegen die Betroffene innerhalb der Frist eines Jahres vor seit der Entscheidung des Amtsgerichts, nämlich am 29. 05. 2001, wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um mindestens 26 km/h eine seit 05. 07. 2001 rechtskräftige Geldbuße festgesetzt worden war und sie nunmehr erneut eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begangen hat, was als Regelfall nach § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV einen beharrlichen Pflichtverstoß i. S. d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG indiziert, der regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf (BGH NZV 1992, 117, 119; BayObLG NZV 1994, 327; OLG Köln NStZ-RR 1996, 52; OLG Karlsruhe VRS 88, 476).

a.

Allerdings hat das Amtsgericht die Einlassung der Betroffenen, sie habe das die Geschwindigkeit beschränkende Verkehrsschild übersehen, weil sie als in Karlsruhe Ortsfremde verstärkt auf Straßenschilder habe achten müssen und durch ein die Straßenbahnschienen verbotswidrig benutzendes Fahrzeug abgelenkt worden sei, in den Urteilsgründen hingenommen, ohne die Glaubwürdigkeit dieser Angaben zu hinterfragen und sich damit auseinander zu setzen. Eine solche nähere Befassung ist aber immer dann geboten, wenn ein Betroffener besondere Umstände geltend macht, welche gegen die Annahme sprechen, das Verkehrsschild sei aufgrund grober Nachlässigkeit übersehen worden. Zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassung der mangelnden Wahrnehmung eines Verkehrszeichens kann es dabei insbesondere auf die konkrete Aufstellung der Beschilderung und die baulichen Verhältnisse der befahrenen Straße ankommen, da sich oftmals einem pflichtbewussten Fahrer die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung geradezu aufdrängen muss (Senat, Beschluss vom 27. 03. 2001, 1 Ss 29/...

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