Entscheidungsstichwort (Thema)
Unter die Gesellschaftssteuerrichtlinie fallende Beurkundung durch badische Amtsnotare: Zur Frage, inwieweit beim Gebührenansatz die den Notaren zustehenden Gebührenanteile zu berücksichtigen sind
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Kosten, die beim Gebührenansatz für unter die Gesellschaftssteuerrichtlinie fallende Beurkundungen durch badische Amtsnotare zu berücksichtigen sind, fallen auch die Gebührenanteile, welche den Notaren im Landesdienst neben den ihnen nach dem Landesbesoldungsgesetz zustehenden Bezügen aus der Staatskasse zu gewähren sind (Anschluss OLG Karlsruhe v. 9.5.2003 – 11 Wx 120/00, OLGReport Karlsruhe 2003, 365 = GmbHR 2003, 1277).
2. Der Gebührenanteil darf – unabhängig davon, ob er dem Notar bereits ausbezahlt wurde und ob er von diesem zurückgefordert werden kann – nicht auf Grundlage einer Europarechtswidrigen Gebühr ermittelt werden (Anschluss OLG Karlsruhe v. 9.5.2003 – 11 Wx 120/00, OLGReport Karlsruhe 2003, 365 = GmbHR 2003, 1277).
3. Solange der Gesetzgeber keine richtlinienkonforme Gebührenregelung geschaffen hat, ist der berücksichtigungsfähige Aufwand zu schätzen. Dies gilt auch für den – entsprechend der gesetzlichen Regelung sich im Laufe des Jahres in der Regel verringernden – Notaranteil.
4. Bei der Schätzung der Höhe des berücksichtigungsfähigen Notaranteils ist auf die Durchschnittswerte für die zurückliegenden Jahre zurückzugreifen (Anschluss OLG Karlsruhe v. 9.5.2003 – 11 Wx 120/00, OLGReport Karlsruhe 2003, 365 = GmbHR 2003, 1277).
5. Zur Vermeidung einer Gebührenungleichheit innerhalb des OLG-Bezirks ist bei der Schätzung des berücksichtigungsfähigen Notaranteils nicht auf die Durchschnittswerte des betreffenden Notars, sondern auf die entsprechende Durchschnittswerte sämtlicher Notare im OLG-Bezirk abzustellen (Abweichung OLG Karlsruhe v. 9.5.2003 – 11 Wx 129/00, OLGReport Karlsruhe 2003, 365 = GmbHR 2003, 1277).
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 11.02.2003; Aktenzeichen 62 T 128/02 A) |
AG Radolfzell (Beschluss vom 01.09.2002; Aktenzeichen 3 UR II 23/02) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors werden die Beschlüsse des AG Radolfzell vom 11.9.2002 – 3 UR – II 23/02 – und des LG Konstanz vom 11.2.2003 – 62 T 128/02 A – unter Zurückweisung der weiter gehenden weiteren Beschwerde teilweise abgeändert:
Auf die Erinnerung der Kostenschuldnerin wird die Kostenrechnung des Notariats I Radolfzell vom 19.7.2002 – I UR 1148/2001 – insoweit aufgehoben, als darin für die Beurkundung eines Verschmelzungsvertrags und zweier Gesellschafterbeschlüsse ein Gesamtaufwand des Notariats von 2.371,42 Euro unter Zugrundelegung eines Gebührenanteils des Notars von 2.056,42 Euro angesetzt wurde.
Die weiter gehende Erinnerung der Kostenschuldnerin wird zurückgewiesen.
II. Soweit die Kostenrechnung aufgehoben wurde, wird die Sache an das Notariat I Radolfzell zurückgegeben.
4. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.1. Die vom Notar beim Notariat I Radolfzell am 15.8.2001 – unter Verwendung eines Fremdentwurfs – errichtete Urkunde I UR 1148/01 (AS 1/21) enthält u.a.
a) den Vertrag zwischen der M. D.- und C. GmbH sowie der M. D. GmbH als den übertragenden Rechtsträgern mit der Meurer S. GmbH als der übernehmenden Rechtsträgerin (Verschmelzung mit Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden GmbH nach § 2 Nr. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 UmwG) und
I. die in den zugleich durchgeführten Gesellschafterversammlungen der beteiligten Gesellschaften gefassten Zustimmungsbeschlüsse sowie die das Klagerecht, den Verschmelzungsbericht und die Prüfung des Verschmelzungsvertrages betreffenden Verzichtserklärungen.
2. Die der Beschwerdeführerin als Kostenschuldnerin zunächst übermittelte Kostenrechnung des Notariats I Radolfzell vom 30.8.2001 wies folgende angesetzte Gebühren und Auslagen aus:
Beurkundung des Verschmelzungsvertrages (§ 36 Abs. 2 KostO) 30.220 DM
Beurkundung der Gesellschafter- beschlüsse (§ 47 KostO) 10.000 DM
Schreibauslagen (§ 136 KostO) 54,80 DM
16 % Mehrwertsteuer aus 40.274,80 DM 6.443,97 DM
Gesamtbetrag 46.718,77 DM
= 23.886,93 Euro
Auf die hiergegen eingelegte Erinnerung der Kostenschuldnerin hat das AG Radolfzell den dieser Kostenrechnung zugrundeliegenden Kostenansatz unter Hinweis auf den Beschluss des EuGH vom 21.3.2002, C-264/00 – „Gründerzentrum” – aufgehoben und das Notariat angewiesen, die Kostenberechnung entsprechend den Europarechtlichen Vorgaben für Notargebühren im Gesellschaftsrecht unter Berücksichtigung eines entsprechende Erlasses des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 22.5.2002 neu vorzunehmen.
3. Sodann hat das Notariat unter dem 19.7.2002 der Kostenschuldnerin eine neue Kostenrechnung mit folgenden Ansätzen übermittelt:
Gesamtaufwand des Notariats Radolfzell 2.371,42 Euro
Schreibauslagen 28,02 Euro
16 % Mehrwertsteuer aus 2.399,44 Euro 383,91 Euro
Gesamtbetrag 2.783,35 Euro
Unter dem 26.7.2002 hat das Notariat dem Rechtsberater der Kostenschuldnerin mitgeteilt, dass sich der in d...