Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verweisungsbeschluss unter Verstoß gegen § 47 ZPO ist objektiv willkürlich und daher nicht bindend.
2. Bei einer anwaltlichen Honorarforderung wird der Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO) durch den Wohnsitz des Mandanten zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses (§ 269 Abs. 1 BGB) und nicht durch den Kanzleisitz des Rechtsanwalts bestimmt.
Normenkette
ZPO § 29 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 47, 281; BGB § 269 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Aktenzeichen 7 C 212/02) |
AG Geilenkirchen (Aktenzeichen 10 C 500/02) |
Tenor
Das Verfahren wird dem BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Gründe
I. Nach Abgabe des Mahnverfahrens durch das AG S. hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.9.2002 vor dem AG Karlsruhe Anwaltshonorar i.H.v. 667,68 Euro nebst Zinsen geltend gemacht. Der Sitz der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers befindet sich in Karlsruhe. Der Beklagte hat seinen Wohnsitz in 5… G.-B., im Bezirk des AG Geilenkirchen. Der Kläger macht geltend, er sei im Jahr 2001 im Auftrag des Beklagten außergerichtlich tätig geworden ggü. dem damaligen Arbeitgeber des Beklagten in Karlsruhe und ggü. dem Arbeitsamt in K. Der Beklagte hält die Forderung des Klägers für nicht berechtigt.
Mit Verfügung vom 30.9.2002 hat das AG Karlsruhe das schriftliche Vorverfahren angeordnet und gleichzeitig den Kläger aufgefordert, sich zur örtlichen Zuständigkeit zu erklären, da der Beklagte nicht im Bezirk des AG Karlsruhe wohne. Mit Verfügung vom 21.10.2002 hat die zuständige Richterin, Dr. Bruggner, beim Kläger angefragt, ob er Verweisung an das örtlich zuständige AG Geilenkirchen beantrage, „mit dem erneuten Hinweis auf die örtliche Unzuständigkeit des AG Karlsruhe”. Am 23.10.2002 hat der Kläger darauf hingewiesen, das AG Karlsruhe sei unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsorts örtlich zuständig. Gleichzeitig hat er jedoch vorsorglich Verweisung an das AG Geilenkirchen beantragt. Mit weiterem Schriftsatz vom 30.10.2002 hat der Kläger „mit Besorgnis die erneute Mitteilung des Gerichts zur Frage der örtlichen Zuständigkeit vom 21.10.2002” zur Kenntnis genommen und erklärt, er „lehne deshalb die Richterin am AG Bär wegen der Besorgnis der Befangenheit ab”.
Der Beklagte, der selbst von Beruf Dachdeckermeister ist, hat darauf hingewiesen, Erfüllungsort für eine eventuelle Honorarforderung des Klägers müsse der Wohnsitz des Beklagten im Bezirk des AG Geilenkirchen sein, da für die Forderung des Klägers das gleiche gelten müsse wie bei jeder anderen Geldforderung, beispielsweise bei einer Handwerkerrechnung.
Mit Beschl. v. 11.11.2002 hat sich das AG Karlsruhe für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers an das AG Geilenkirchen verwiesen. Zur Begründung hat die zuständige Richterin Dr. Bruggner darauf hingewiesen, der Gerichtsstand gem. § 29 ZPO sei nicht gegeben. Mit Beschl. v. 19.11.2002 hat das AG Geilenkirchen sich seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und die Akte gem. § 36 Abs. 2 ZPO dem OLG Karlsruhe zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das AG Geilenkirchen ist der Auffassung, der Beschluss des AG Karlsruhe sei objektiv willkürlich, da „nach der herrschenden Rspr. und Meinung allgemein anerkannt” sei, dass bei einer Klage auf Zahlung von Anwaltshonorar ein Gerichtsstand gem. § 29 ZPO am Ort des Sitzes der Kanzlei des Anwaltes gegeben sei.
II. Das Verfahren ist dem BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 3 ZPO vorzulegen. Nach Auffassung des Senats ist gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO das AG Geilenkirchen zuständig. Der Senat ist an einer eigenen Entscheidung jedoch gehindert, da die Entscheidung in einer Rechtsfrage von Entscheidungen anderer OLG und des BGH abweichen würde (§ 36 Abs. 3 ZPO).
1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das AG Karlsruhe als auch das AG Geilenkirchen haben sich i.S.v. § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt. Die Zuständigkeit des OLG Karlsruhe im Bestimmungsverfahren ergibt sich aus § 36 Abs. 2 ZPO.
2. Örtlich zuständig für die Entscheidung über das Anwaltshonorar des Klägers ist das AG Geilenkirchen.
a) Die Zuständigkeit des AG Geilenkirchen ergibt sich nicht aus § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO (bindende Verweisung). Denn die Entscheidung des AG Karlsruhe vom 11.11.2002 war nicht bindend. Der Verweisungsbeschluss des AG Karlsruhe ist als objektiv willkürlich anzusehen i.S.d. Rechtsprechungsgrundsätze zu § 281 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 281 ZPO Rz. 17).
Der Verweisungsbeschluss des AG Karlsruhe ist unter Verletzung von § 47 ZPO (unaufschiebbare Amtshandlungen bei einem Ablehnungsgesuch) ergangen. Mit Schriftsatz vom 30.10.2002 hatte der Kläger die zuständige Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zwar bezog sich die Ablehnung nach ihrem Wortlaut auf „Richterin am AG Bär”. Nach den Umständen war jedoch unzweifelhaft die zuständige Richterin am AG Dr. B. gemeint, so dass – im Wege der Aus...