Leitsatz (amtlich)

Mit nur allgemeinen, auch erheblichen Zweifeln am Therapieerfolg kann das einem Verurteilten dauerhaft anhaftende, seine Zukunft schwer belastende Verdikt der Therapieunfähigkeit nicht begründet werden. Vielmehr ist dies nur möglich, wenn vernünftige Zweifel an der fehlenden Therapieaussicht ausgeschlossen sind.

 

Verfahrensgang

GStA Karlsruhe (Entscheidung vom 09.08.2013; Aktenzeichen 6 Zs 1472/13)

StA Heidelberg (Entscheidung vom 18.07.2013; Aktenzeichen R 670 VRS 43 Js 11883/04)

LG Heidelberg (Entscheidung vom 03.09.2004)

 

Tenor

Auf den Antrag des Verurteilten O. werden die Entschließung der Staatsanwaltschaft Heidelberg. vom 18.07.2013 - R 670 VRS 43 Js 11883/04 - und der Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 09.08.2013 - 6 Zs 1472/13 - aufgehoben.

Die Staatsanwaltschaft wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Von den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers hat die Staatskasse die Hälfte zu tragen.

Der Geschäftswert wird auf 3.000,-- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Verurteilte wurde durch das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 03.09.2004 zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und drei Monaten und durch Urteil des Landgerichts Ulm vom 03.12.2009 zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. In beiden Urteilen war die - mittlerweile erledigte - Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet gewesen. Beiden Urteilen lagen Verstöße des langjährig drogenabhängigen Verurteilten gegen das Betäubungsmittelgesetz zugrunde. Nach zwischenzeitlicher Bewährungsaussetzung von Strafresten und deren Widerruf hat der Verurteilte noch Strafreste von neun Monaten bzw. einem Jahr aus den genannten Urteilen zu verbüßen.

Am 17.07.2013 stellte der Verurteilte durch seinen Verteidiger hinsichtlich der Reststrafen aus dem Urteil des Landgerichts Heidelberg den Antrag,

gemäß § 35 BtMG von der weiteren Vollstreckung zum Zwecke der Durchführung einer stationären Drogentherapie abzusehen.

Diesen Antrag lehnte die Staatsanwaltschaft Heidelberg mit der Verfügung vom 18.07.2013 wegen erheblicher Zweifel an der Therapiefähigkeit des Verurteilten, die sich aus früheren Therapiefehlschlägen ergäben, ab. Der von ihm gegen diesen Bescheid eingelegten Beschwerde gab die Generalstaatsanwaltschaft aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung mit ihrem Bescheid vom 09.08.2013 keine Folge.

Gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe wendet sich der Verurteilte mit seinem am 16.09.2013 fristgerecht eingegangenen Antrag auf

gerichtliche Entscheidung durch das Oberlandesgericht.

II.

Der gemäß §§ 23ff. EGGVG zulässige Antrag ist begründet.

Der Vollstreckungsbehörde steht bei ihrer Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie gemäß § 35 BtMG ein Ermessen und hinsichtlich der dabei zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen, Kausalität der Betäubungsmittelabhängigkeit für die abgeurteilten Taten und Therapiewilligkeit des Antragstellers ein Beurteilungsspielraum zu. Gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG hat der Senat die Entschließung der Vollstreckungsbehörde auf Rechts- und Ermessensfehler und darauf zu überprüfen, ob ihr ein zutreffend und vollständig ermittelter Sachverhalt unter Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums zugrunde gelegt ist (ständige Senatsrechtsprechung, z.B. StV 2002, 263).

Der Bescheid der Vollstreckungsbehörde, der in derjenigen Gestalt der Prüfung des Senats unterliegt, die er durch das Vorschaltverfahren gewonnen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil er besorgen lässt, dass die Anforderungen an den Nachweis der Therapiebereitschaft des Verurteilten überspannt worden sind.

Therapiebereitschaft eines Drogenabhängigen ist dann zu bejahen, wenn er ernsthaft gewillt ist, eine Therapie zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer geeigneten Einrichtung nach den dort geltenden Regeln, Anweisungen und Bedingungen anzutreten und durchzustehen, um eine bestehende Drogenabhängigkeit zu beseitigen, und an diesem Ziel aktiv mitzuarbeiten (ständige Senatsrechtsprechung, vergl. OLG Karlsruhe StV 2007, 308).

Wegen der stets gegenwärtigen Rückfallgefährdung nicht erfolgreich therapierter Drogenabhängiger ist deren Therapiebereitschaft in aller Regel brüchig und häufig schwankend. Deshalb dürfen an dieses Tatbestandsmerkmal keine zu strengen Anforderungen gestellt werden, denn es ist auch Zweck der Zurückstellung, die Therapiemotivation zu fördern (Kornprobst MünchKommStGB § 35 BtMG Rn 95). Gerade auch Risikoprobanden mit schlechter Prognose (OLG Karlsruhe StV 2010,148) sollen mit der Vorschrift des § 35 BtMG erreicht werden. Der Nachweis fehlenden Therapiewillens ist schwierig. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe StV 1983, 112; STV 2002, 263; NStZ 1999, 253; StV 2007, 308 jeweils mwN.) herrscht Einigkeit, dass sich der Weg aus der Sucht als ein langes, auch von Rückschlägen begleitetes prozesshaftes Ges...

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