Verfahrensgang

AG Wiesloch (Entscheidung vom 08.08.2020; Aktenzeichen 5 OWi 540 Js 5675/20)

 

Tenor

  • I.

    Auf Antrag des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Wiesloch vom 08. August 2020, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen wurde, aufgehoben.

  • II.

    Der Antrag des Betroffenen, gegen das Urteil des Amtsgerichts Wiesloch vom 15.06.2020 die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wird als unbegründet verworfen.

  • III.

    Damit gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).

  • IV.

    Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

1.

Der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG, 346 Abs. 2 StPO ist begründet, weil die Rechtsbeschwerdebegründung (§ 80 Abs. 3 S.3 OWiG, 344 StPO) innerhalb der in § 80 Abs. 3 S. 3 OWiG, 345 Abs. 1 StPO) genannten Monatsfrist, die erst nach Ablauf der einwöchigen Einlegungsfrist zu laufen begann, angebracht wurde. Soweit das Amtsgericht seinen Beschluss vom 04.08.2020 selbst mit Beschluss vom 11.08.2020 aufgehoben hat, ist dieser Beschluss unwirksam und damit unbeachtlich, weil dem Amtsgericht gegen seinen Beschluss, mit dem die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen wurde, keine eigene Abhilfeentscheidung zustand (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 79 Rn. 34a; Graf in BeckOK OWiG, 28. Ed. 2020, § 79 Rn. 117).

2.

Im angefochtenen Urteil ist lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 100 EUR festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG darf daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Zur Begründung nimmt der Senat auf die - auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung der Verteidigung vom 02.11.2020 - weitgehend zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift vom 22.10.2020 Bezug.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes der Versagung des rechtlichen Gehörs gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG) durch Verwertung einer erstmals im Verlauf der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers telefonisch eingeholten Auskunft einer Mitarbeiterin der Bußgeldbehörde sind vorliegend - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - in der gesetzlich gebotenen Form dargelegt. Die Versagung des rechtlichen Gehörs ist mit der Verfahrensrüge geltend zu machen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senat, Beschluss vom 12.01.2018 - 2 Rb 8 Ss 839/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.04.2019 - IV-4 Rbs 27/19; OLG Köln NStZ-RR 2015, 385; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 30.05.2005 - Ss (Z) 222/04; Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 79 Rn. 27d). Dabei müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen so genau und so vollständig angegeben werden (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 2 StPO), dass das Rechtsbeschwerdegericht schon anhand der Rechtsmittelschrift ohne Rückgriff auf die Akten prüfen und im Freibeweisverfahren abschließend feststellen kann, dass der behauptete Fehler tatsächlich vorliegt (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Dazu gehört auch der Vortrag, was der Betroffene im Falle seiner Anhörung geltend gemacht hätte. (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 79 Rn. 27 d).

Diesen Anforderungen hat der Beschwerdeführer vorliegend entsprochen. In der Antragsschrift ist dargelegt, das Gericht habe zum Nachteil des Betroffenen diesem und seinem Verteidiger nicht bekannte Beweismittel, nämlich die vom Gericht eingeholte fernmündliche Auskunft der Zeugin R verwertet, ohne ihm oder seinem Verteidiger zuvor Gelegenheit zur Äußerung über die beabsichtigte Erhebung dieses Beweises zu geben. Der Rechtsbeschwerdebegründung lässt sich auch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass der Betroffene von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden war und dass die Hauptverhandlung in seiner und in Abwesenheit seines Verteidigers stattgefunden hatte. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die dem Senat auf Grund der zugleich erhobenen Sachrüge auch zur Prüfung der Zulässigkeit der Verfahrensrüge zur Verfügung stehen. Der Beschwerdeführer hat auch dargelegt, welche Fragen er ggf. an die Zeugin hätte richten wollen, um die von ihr bekundeten Tatsachen zu hinterfragen.

Im Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG dürfen nur die dem Betroffenen bekannten Beweismittel verwendet werden (vgl. Göhler/Seitz/bauer, a.a.O., § 74 Rn. 17). Denn ein Gericht darf seiner Entscheidung nur solche Tatsachen zugrunde legen, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten äußern konnten (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Andernfalls kann der Betroffene seine Verteidigung nicht ausreichend, nämlich gezielt auf alle vorhandenen, ihm bekannten Beweismittel einrichten und kann nicht uneingeschrän...

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