Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Unterlassungsklage gegen eine Stadt bei Lärmimmissionen
Leitsatz (amtlich)
1. Verpflichtet sich eine Stadt beim Neubau einer Turnhalle in einer Vereinbarung mit einer Grundstücksnachbarin dazu, lärmintensive Nutzungen der Turnhalle zu begrenzen, ist für die auf die Vereinbarung gestützte spätere Unterlassungsklage der Nachbarin der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
2. Für den Rechtsweg spielt es keine Rolle, wenn die Nachbarin sich in der "privatrechtlichen Vereinbarung" gleichzeitig verpflichtet hat, auf Rechtsmittel gegen die beabsichtigte Baugenehmigung, die von der Stadt als untere Baurechtsbehörde erteilt werden sollte, zu verzichten.
Normenkette
BGB §§ 906, 1004; GVG §§ 13, 17a
Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 3 O 434/18) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 08.05.2019 - 3 O 434/18 - aufgehoben.
2. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für zulässig erklärt.
3. Die Beschwerde zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
5. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht im Verfahren vor dem Landgericht Offenburg Unterlassungsansprüche geltend. Die Parteien streiten zunächst um die Frage, ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten oder zum Verwaltungsgericht gegeben ist.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks W. 19 in X.. Die Beklagte, die Stadt X., ist Eigentümerin des Nachbargrundstücks S.straße 22. Das Grundstück der Klägerin ist mit einem Wohnhaus bebaut, in welchem sie selbst wohnt.
Im Jahr 2010 beabsichtigte die Beklagte, auf dem Nachbargrundstück S.straße 22 eine neue Turnhalle zu bauen. Die Turnhalle sollte für Schulsport und Vereinssport genutzt werden. Die Beklagte war selbst als untere Baurechtsbehörde für die Erteilung der Baugenehmigung zuständig. Im Rahmen der Angrenzeranhörung brachte die Klägerin Bedenken gegen das Bauvorhaben vor. Sie befürchtete erhebliche Lärmbeeinträchtigungen, die durch die von der Beklagten beabsichtigte Nutzung des Nachbargrundstücks entstehen würden. Aufgrund dieser Bedenken kam es zu Verhandlungen zwischen den Parteien über mögliche Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Klägerin. Diese Verhandlungen führten am 04.06.2010 zu der folgenden schriftlichen Vereinbarung:
Privatrechtliche Vereinbarung
Zwischen
Stadt X., Fachbereich 5, vertreten durch den Baubürgermeister D. E.,
und
Frau Dr. B. M. (Klägerin),
vertreten durch Rechtsanwälte W.
Vorspruch
Die Stadt X. beabsichtigt den Neubau einer Sporthalle mit Vereinsheim, Umkleide- Sanitär- und Nebenräumen und Außenspielfeld auf dem Flst.-Nr.: xxx, belegen in der Gemarkung Z.; Frau M. ist Eigentümerin des Nachbargrundstückes Lgb-Nr.: xxx.
Im Rahmen der Angrenzeranhörung zum Baugesuch der Stadt X. vom 25.09.2009 - Az.: xxx - hat Frau M. mit Schriftsätzen vom 09.10.2009, 06.04.2010 und 22.04.2010 geltend gemacht, mit der Errichtung der Neubauten durch zu erwartende Lärmeinflüsse in ihren Nachbarrechten beeinträchtigt zu sein. Die Stadt X. hat darauf Gutachten über die Prognose und Beurteilung der Lärmeinwirkung auf die schutzwürdige Umgebung eingeholt.
Zur Erledigung der von Frau M. vorgebrachten Bedenken wird vereinbart:
§ 1
Frau M. macht Bedenken gegen die Errichtung und Betrieb des bezeichneten Neubaus nicht mehr geltend, wenn die in nachfolgend § 2 aufgeführten Maßnahmen insgesamt durch die Stadt X. erfüllt sind. Hinsichtlich der entsprechenden Baugenehmigung wird der Verzicht auf Rechtsmittel erklärt.
§ 2
Die Stadt X. verpflichtet sich gegenüber Frau M., bei der Realisierung des Neubauvorhabens zu folgenden Maßnahmen:
1. Die Errichtung eines Außenspielfeldes an der Nordseite des vorgesehenen Neubaus wird nicht weiterverfolgt.
2. Für den Außenbereich der Sporthalle und des Vereinsheims sind Lautsprecheranlagen nicht zulässig.
3. Die geplante Feuerwehrzufahrt auf der Nordseite der Sporthalle wird mit einer Beschilderung und/oder Abschrankung ausgestattet, um privaten Kraftfahrzeugverkehr darauf zu verhindern.
4. Die Freifläche vor der Ostseite der Halle (Schulhof) darf für Freiluftveranstaltungen jeder Art nicht genutzt werden.
Ausgenommen sind ausschließlich schulischen Zwecken dienende Veranstaltungen, das Sängerfest des Gesangvereins Z., das Turnfest für Kinder des Turnvereins Z. und das Straßenfest "W.", die je einmal im Kalenderjahr stattfinden. Diese Veranstaltungen müssen werktags um 22.00 Uhr, sonn- und feiertags um 20.00 Uhr beendet sein. Bei der Durchführung der Feste dürfen Schallverstärker und Mikrofone nicht eingesetzt werden. Vor Durchführung einer jeder Veranstaltung haben sich ein Vertreter des jeweiligen Organisators und Frau Dr. M. dahingehend abzusprechen mit dem Ziel, bei der Durchführung der Veranstaltungen die Grundsätze eines guten nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu wahren und zu beachten.
5. Das abendliche Sporttrain...