Entscheidungsstichwort (Thema)

Arglist des Kraftfahrzeughändlers beim Verkauf eines Gebrauchtwagens ohne Sichtprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein gewerblicher Kraftfahrzeughändler ist verpflichtet, vor dem Verkauf eines Gebrauchtwagens zumindest eine Sichtprüfung durchzuführen, um mögliche Unfallspuren zu erkennen. Zur Sichtprüfung gehört ein Blick auf die Unterseite des Fahrzeugs, das zu diesem Zweck auf eine Hebebühne genommen werden muss.

2. Einem gewerblichen Kraftfahrzeughändler, der dem Kaufinteressenten das Unterbleiben einer Sichtprüfung verschweigt, ist in der Regel Arglist vorzuwerfen, wenn ein mangelhaft reparierter Unfallschaden bei einem Blick auf die Unterseite des Fahrzeugs sofort erkennbar gewesen wäre.

3. Die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Sichtprüfung beim Verkauf eines Gebrauchtwagens gelten für den gewerblichen Kraftfahrzeughändler auch bei einem Agenturgeschäft, wenn er das Fahrzeug nicht im eigenen Namen, sondern im Namen einer privaten Verkäuferin veräußert. Beim Unterbleiben der Sichtprüfung kommt eine Eigenhaftung des Kraftfahrzeughändlers gemäß § 311 Abs. 3 BGB in Betracht.

4. Bedient sich eine private Verkäuferin beim Verkauf eines Gebrauchtwagens der professionellen Hilfe eines Kraftfahrzeughändlers, hat sie für dessen Verschulden gegenüber dem Käufer gemäß § 278 BGB einzustehen. Für die Beurteilung des Verschuldens und für die Frage der Arglist sind in diesem Fall auch im Verhältnis zur Verkäuferin die Anforderungen maßgeblich, die üblicherweise für den gewerblichen Kraftfahrzeughändler gelten.

 

Normenkette

BGB §§ 278, 311 Abs. 3, §§ 437, 444

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Aktenzeichen 5 O 345/17)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 05.02.2020 - K 5 O 345/17 - wie folgt abgeändert:

1. Von den Gerichtskosten und von den außergerichtlichen Kosten des Klägers - jeweils ohne die Kosten in Ziffer 2 dieser Entscheidung - tragen der Kläger 73 %, die Beklagte Ziffer 2 27 %.

2. Von den Kosten des Vergleichs zwischen dem Kläger und der Beklagten Ziffer 2 gemäß Beschluss vom 10.12.2019 und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziffer 2 tragen die Beklagte Ziffer 2 80 %, der Kläger 20 %. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten trägt die Beklagte Ziffer 2 selbst.

3. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziffer 1 und der Beklagten Ziffer 3 tragen diese jeweils selbst.

II. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde tragen die Beteiligten wie folgt:

1. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte Ziffer 1 und die Beklagte Ziffer 3 jeweils zur Hälfte.

2. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziffer 1 und der Beklagten Ziffer 3 tragen diese jeweils selbst.

 

Gründe

I. Der Kläger hat die drei Beklagten im Verfahren vor dem Landgericht als Gesamtschuldner in Anspruch genommen auf Zahlung in Höhe von 22.788,55 EUR nebst Zinsen und nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten. Gegenstand des Verfahrens waren Schadensersatz- und Minderungsansprüche nach dem Erwerb eines mangelhaften Oldtimers. Die Beklagte Ziffer 1, eine Mitarbeiterin der Beklagten Ziffer 3, war Verkäuferin des Fahrzeugs. Bei der Beklagten Ziffer 3 handelt es sich um ein M. Autohaus, welches Neufahrzeuge und Gebrauchtfahrzeuge selbst veräußert und eine eigene Werkstatt unterhält. Der Verkauf des im Eigentum der Beklagten Ziffer 1 befindlichen Fahrzeugs an den Kläger erfolgte im Wege eines sogenannten Agenturgeschäfts durch die Beklagte Ziffer 3. Die Beklagte Ziffer 3 wurde als Vermittlungs- und Abschlussvertreterin für die Beklagte Ziffer 1 tätig; der Kläger hatte keinen persönlichen Kontakt zur Beklagten Ziffer 1. Bei der Beklagten Ziffer 2 handelt es sich um ein Sachverständigenbüro, welches im Auftrag des Klägers vor Abschluss des Kaufvertrages eine Fahrzeugbewertung durchführte, die für den Oldtimer mit einer Zustandsnote "Zwei Plus" schloss. Wesentliche Mängel, insbesondere Unfallschäden, wurden im Rahmen der Fahrzeugbewertung nicht festgestellt.

Im Verfahren vor dem Landgericht wurde nach einer umfangreichen Beweisaufnahme festgestellt, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen unzulänglich reparierten Unfallschaden aufwies. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige schätzte die Aufwendungen für eine fach- und sachgerechte Instandsetzung auf 11.875,90 EUR. Außerdem schätzte der Sachverständige eine verbleibende Wertminderung auf 4.000,00 EUR. Der Sachverständige stellte fest, dass der Unfallschaden und die mangelhafte Reparatur für jeden Fachmann durch eine einfache Sichtprüfung sofort erkennbar war, wenn das Fahrzeug auf einer Hebebühne von unten angeschaut worden wäre.

Am 10.12.2019 schlossen der Kläger und die Beklagte Ziffer 2 vor dem Landgericht einen Teilvergleich, in welchem sich die Beklagte Ziffer 2 zur Zahlung von 18.138,38 EUR nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen ab dem 15.01.2020 verpflichtete. Damit wurden die streitgegenständlichen A...

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