Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Vaterschaftsanfechtung nach ukrainischem Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Fortdauer des gewöhnlichen Aufenthalts im Herkunftsland bei Einreise mit einem Touristenvisum, fehlender realistischer Perspektive für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland und Vorbehalt der Rückkehr in das Herkunftsland.
2. Art. 5 Abs. 3 EGBGB ist bei Anknüpfungen an den gewöhnlichen Aufenthalt eines Minderjährigen im Rahmen von Art. 19 oder 20 EGBGB uneingeschränkt zu beachten.
3. Eine der Regelung von § 1600b BGB entsprechende Anfechtungsfrist kennt das ukrainische Familiengesetzbuch nicht. Die Anfechtung ist vielmehr grundsätzlich bis zur Volljährigkeit des Kindes möglich (Art. 136 Abs. 3 des ukrainischen Familiengesetzbuchs vom 10. Januar 2002 - ukrainisches FamGB).
4. Art. 136 Abs. 5 ukrainisches FamGB betrifft lediglich den Fall einer bewusst unrichtigen - konstitutiven - Anerkennung des Kindes, nicht aber den Fall, dass der Ehemann wegen der zum Zeitpunkt der Geburt bestehenden Ehe mit der Mutter als Vater eingetragen wird (Art. 122 Abs. 1 ukrainisches FamGB) und Kenntnis von seiner fehlenden biologischen Vaterschaft hat.
Verfahrensgang
AG Singen (Beschluss vom 15.02.2016; Aktenzeichen 4 F 498/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Mutter des Kindes ... (...) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Singen vom 15.02.2016 (4 F 498/15) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 2.000 EUR.
Gründe
I. Die Mutter des jetzt ... Jahre alten Kindes ... wendet sich mit der Beschwerde gegen die mit der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, dass der Antragsteller nicht der Vater des Kindes ist.
Die Mutter von ... und der Antragsteller waren verheiratet. Ihre am ... in ... geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Singen vom 20.09.2013 (4 F 293/13) geschieden. Die Ehescheidung ist seit 31.10.2013 rechtskräftig.
... wurde am ... geboren, wo sie zusammen mit ihrer Mutter bis zur Ausreise nach Deutschland im Frühjahr 2017 lebte. Die Mutter und ... reisten im Frühjahr 2017 mit einem Touristenvisum in die Bundesrepublik ein und hielten sich bei einer Freundin der Mutter in ... auf. Im Juni 2017 stellte die Mutter für sich und ... einen Asylantrag in Deutschland und lebt seitdem in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (AE) in ....
Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger und unstreitig nicht der leibliche Vater des Kindes. Er hat der Mutter in der Empfängniszeit nicht beigewohnt. Nach übereinstimmenden Angaben des Antragstellers und der Mutter des Kindes ist diese vielmehr bereits am 02.04.2012 - vor Beginn der Empfängniszeit - in die Ukraine ausgereist und hat ihn seither nicht mehr persönlich getroffen.
Der Antragsteller hat mit am 19.08.2015 beim Amtsgericht Singen eingegangenem Schriftsatz beantragt festzustellen, dass er nicht der Vater des Kindes ist. Er habe erst nach Ausspruch der Ehescheidung Ende 2013 von der Geburt des Kindes erfahren. Später gab er an, erst im Sommer 2015 von der Existenz des Kindes erfahren zu haben. Infolge eines 2009 erlittenen Motorradunfalles leide er an einem hirnorganischen Psychosyndrom mit neurokognitiven Einschränkungen. Dies habe immer wieder zu aggressiven Durchbrüchen geführt. Er habe in den Jahren 2013/2014 die Tragweite seines Verhaltens nicht vollumfänglich erfassen und verstehen können.
Die Mutter des Kindes tritt dem Antrag entgegen. Der Antragsteller habe die zweijährige Anfechtungsfrist gemäß § 1600 b Abs. 1 BGB versäumt. Sie behauptet, den Vater bereits am Tage der Geburt bzw. kurz danach per Skype von der Geburt des Kindes in Kenntnis gesetzt zu haben.
Mit Beschluss vom 15.02.2016 stellte das Amtsgericht fest, dass der Antragsteller nicht der Vater des Kindes ist. Zwar sei er zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet gewesen und habe deshalb rechtlich als Vater gegolten (§ 1592 Nr. 1 BGB). Er habe die Vaterschaft jedoch rechtzeitig angefochten. Erst im Sommer 2015 habe er von der Geburt des Kindes erfahren. Zur Versäumung der Anfechtungsfrist habe die Mutter des Kindes nicht ausreichend vorgetragen bzw. Beweis angetreten.
Mit der Beschwerde verfolgt die Mutter ihren Antrag auf Zurückweisung der Anfechtung weiter und setzt sich insoweit im Einzelnen und unter Vertiefung ihres Vortrags mit der Würdigung des Amtsgerichts auseinander. Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen. Die Anfechtungsfrist nach deutschem Recht sei nicht versäumt.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Abstammung vorliegend auch nach ukrainischem Recht angefochten werden könne. Eine der hiesigen Vorschrift des § 1600 b Abs. 1 BGB vergleichbare Regelung kenne das ukrainische Recht nicht. Vielmehr könne dort die Vaterschaft des Kindes gemäß § 136 Abs. 3 des ukrainischen Familiengesetzbuchs vom 10.01.2002 (im Folgenden: uFamGB) bis zu dessen Volljährigkeit angefochten werden.
Die...