Leitsatz (amtlich)
1. Die vorläufige Entziehung wesentlicher Teile des Sorgerechts ist gerechtfertigt, wenn erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Gefährdung der seelischen Gesundheit des Kindes bereits eingetreten ist und beide Eltern - die Mutter infolge einer psychischen Erkrankung, der Vater jedenfalls wegen andauernder Inhaftierung - ihren Versorgungs- und Erziehungsaufgaben nicht nachkommen können.
2. Zur Ablehnung des Antrags der Mutter auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht.
Verfahrensgang
AG Bruchsal (Aktenzeichen 1 F 1141/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Bruchsal (1 F 1141/20) vom 16.11.2020 wird zurückgewiesen.
2. Die Mutter trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
4. Der Antrag der Mutter auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die vorläufige Regelung des Sorgerechts für das Kind L. M., geboren am ... Bezüglich der Feststellungen wird zunächst auf die am 09.10.2020 und 16.11.2020 erlassenen Beschlüsse des Familiengerichts Bruchsal Bezug genommen. Ergänzend ist festzustellen, dass das Familiengericht im Hauptsacheverfahren (Az.: 1 F 1096/20) zur Vorbereitung der Entscheidung ein psychiatrisches Gutachten zur Abklärung der Frage eines Betäubungsmittelmissbrauchs durch die Mutter und ein Gutachten zur Abklärung einer psychischen Erkrankung der Mutter in Auftrag gegeben. L. wurde am 09.10.2020 in Obhut genommen.
Das Familiengericht hat den Eltern mit am 09.10.2020 erlassenem Beschluss ohne mündliche Verhandlung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten, das Umgangsbestimmungsrecht sowie das Recht zur Beantragung öffentlicher Leistungen für ihren Sohn L. entzogen und im Umfang der Entziehung Ergänzungspflegschaft angeordnet. Der teilweise Sorgerechtsentzug wurde nach mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 16.11.2020 aufrechterhalten.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Familiengericht im Wesentlichen aus, zu seiner Überzeugung sei bei L. zumindest von einer Kindeswohlgefährdung auszugehen. Die Mutter neige zu erheblichen Impulsdurchbrüchen, auch körperlicher Art. Zwischen dem am 01.07.2004 geborenen L. und der Mutter sei es im Juni 2020 zu einer häuslichen Auseinandersetzung gekommen, bei der die Mutter L. mit einem Küchenmesser bedroht und möglicherweise auch verletzt habe. L. habe daraufhin um seine Inobhutnahme gebeten und mitgeteilt, es käme seit rund 1 1/2 Jahren zu körperlichen und verbalen Übergriffen der Mutter. In der Folgezeit habe L. für drei Wochen nicht im Haushalt der Mutter gelebt.
Am 22.06.2020 sei eine Familienhilfe mit 40 Stunden im Monat sowie eine Schulbegleitung für L. in der Familie installiert worden. In der Folgezeit sei die Mutter für Familienhilfe, Schule und Verfahrensbeistand nicht erreichbar gewesen. Die Schule habe am 08.10.2020 mitgeteilt, dass die Mutter nicht erreichbar sein. Ansprechpartner für die Schule sei der 15jährige A. L. erscheine täglich mit verschmutzter und nicht dem Wetter angepasster Kleidung. Es komme öfter vor, dass L. zuhause vor verschlossener Tür stehe. Er verfüge über eine sehr geringe Frustrationstoleranz und sei gegenüber seinen Mitschülern verbal ("Ich zünde den ganzen Spielplatz an, damit ihr keinen mehr habt" und körperlich (Werfen einer Schere nach einem Mitschüler) übergriffig. Zudem reagiere er mit einem totalen körperlichen Rückzug.
Die Instabilität der Mutter werde insbesondere durch die fachärztliche Expertise des Sachverständigen Prof. G. vom 11.11.2020 dokumentiert.
Auch dem Vater sei das Sorgerecht teilweise zu entziehen. Er sei seit Februar 2019 in der Familie nicht mehr präsent. Es bestehe nahezu kein Kontakt zu den Kindern. Seine Haftentlassung stehe zum 03.02.2021 an. Aufgrund des dysfunktionalen Familiensystems müsse im Falle einer Ausübung des Sorgerechts durch den Vater von einer Kindeswohlgefährdung ausgegangen werden.
Die Mutter hat gegen den ihr am 16.11.2020 zugestellten Beschluss vom 16.11.2020 mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 30.11.2020, am selben Tag bei Gericht eingegangen, Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, die Beschlüsse vom 09.10.2020 und 16.11.2020 insoweit aufzuheben, als ihr das Sorgerecht entzogen und Ergänzungspflegschaft angeordnet wurde. Zudem sucht sie um Verfahrenskostenhilfe für ihre Rechtsverfolgung nach.
Die Mutter trägt im Wesentlichen vor, ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sei verletzt. Ihr sei mit Beschluss vom 11.11.2020 ein Schriftsatzrecht bis 15.11.2020, einem Sonntag, eingeräumt worden. Die Frist sei daher erst am 16.11.2020 abgelaufen. Das Familiengericht habe seine Entscheidung somit vor Fristablauf erlassen.
Bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses vom 09.10.2020 sei die Situation in der F...