Leitsatz (amtlich)
Die Ladung eines dauernd im Ausland lebenden Angeklagten darf die in § 216 Abs. 1 Satz 1 StPO vorgeschriebene Androhung von Zwangsmitteln für den Fall des unentschuldigten Ausbleibens nicht enthalten. Das gilt auch dann, wenn die Ladung an einen Zustellungsbevollmächtigen im Inland zugestellt wird. Jedoch ist eine dem § 216 StPO genügende modifizierte Warnung über die Folgen des Nichterscheinens des im Ausland auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten dann zulässig, wenn diese den eindeutigen einschränkenden Hinweis enthält, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahme ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung, also im Inland, erfolgt.
Verfahrensgang
LG Offenburg (Entscheidung vom 15.07.2016) |
AG Offenburg (Entscheidung vom 15.06.2016; Aktenzeichen 6 Ls 304 Js 3268/12) |
Tenor
- Auf die weitere Beschwerde der Angeklagten werden Ziffer 2 des Beschlusses des Landgerichts Offenburg vorn 15. Juli 2016 und der Haftbefehl des Amtsgerichts Offenburg vom 15. Juni 2016 - 6 Ls 304 Js 3268/12 - aufgehoben.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Amtsgericht Offenburg hat am 15.6.2016 gegen die Beschwerdeführerin einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO erlassen, weil die über einen Zustellungsbevollmächtigten mit Verfügung vom 23.3.2016 geladene Angeklagte, welcher die Ladung an ihre Wohnanschrift in Panama von diesem übersandt worden war, zu dem Termin zur Hauptverhandlung am 15.6.2016 unentschuldigt nicht erschienen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum verfahrensgegenständlichen Sachverhalt wird auf die Darstellung unter Ziffer 1, im angefochtenen Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 15.7.2016 Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Ziffer 2 dieses Beschlusses die Beschwerde der Angeklagten vom 18.6.2016 gegen den Haftbefehl vom 15.6.2016 als unbegründet verworfen. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit nicht näher begründeter weiterer Beschwerde vom 29.7.2016, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe trägt darauf an, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
Die weitere Beschwerde ist zulässig (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, Rdn. 5 u. 7 zu § 310) und begründet.
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Offenburg vom 15.6.2016 kann keinen Bestand haben, weil die Angeklagte zu dem auf diesen Tag anberaumten Hauptverhandlungstermin nicht ordnungsgemäß geladen worden war und es damit an einer Voraussetzung für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO fehlt (Meyer-Goßner/Schmitt, a,a.O., Rdn. 18 zu § 230). Der in der Ladung enthaltene Hinweis nach § 216 Abs. 1 Satz 1 StPO, dem zufolge im Falle des unentschuldigten Ausbleibens der Angeklagten ihre Verhaftung oder Vorführung angeordnet werden müsste, hätte ihr in dieser Form nicht erteilt werden dürfen.
Nach wohl überwiegender Meinung darf die Ladung eines dauernd im Ausland lebenden Angeklagten die in § 216 Abs. 1 Satz 1 StPO vorgeschriebene Androhung von Zwangsmitteln für den Fall des unentschuldigten Ausbleibens nämlich nicht enthalten, da dies die Androhung der Ausübung hoheitlicher Gewalt auf dem Gebiet eines fremden Staates darstellt, die entsprechend dem Territorialitätsprinzip unzulässig ist (KG StraFo 2013, 425; OLG Brandenburg StV 2009, 348; OLG Köln NStZ-RR 2006, 22; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 18; KK-Gmel, StPO, 7. Aufl. 2013, Rdn, 5 zu § 216 m.w.N.). Nichts anderes gilt, wenn - wie hier - die Ladung an einen Zustellungsbevollmächtigen im Inland zugestellt wird (vgl. KG a.a.O.).
Jedoch ist eine dem § 216 StPO genügende modifizierte Warnung über die Folgen des Nichterscheinens des im Ausland auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten dann zulässig, wenn diese den eindeutigen einschränkenden Hinweis enthält, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahme ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung, also im Inland, erfolgt. Insoweit handelt es sich nämlich nicht um eine möglicherweise völkerrechtswidrige "Androhung" eines Zwangsmittels, sondern lediglich um die gesetzlich vorgeschriebene Darstellung der deutschen Rechtslage zum Schutz des sich im Ausland aufhaltenden Ladungsempfängers (OLG Karlsruhe StV 2015, 346; Beschluss v. 23.4.2014 - 1 Ws 55/14; KG NStZ 2011, 653; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010, 49; OLG Rostock NStZ 2010, 412; KK-Gmel, a.a.O., Rdn. 5 zu § 216; a.A. KG StraFo 2013, 425).
Da die am 23.3.2016 verfügte Ladung der Angeklagten zu dem Hauptverhandlungstermin am 15.6.2016 diese Einschränkung nicht enthielt, war der Haftbefehl aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Fundstellen