Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum. Maskenpflicht in Fußgängerbereichen. Strafrecht. Ordnungswidrigkeitenrecht. Zum Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum nach § 3 Abs.1 CoronaVO BW (i.d.F. vom 27.03.2020) Zur Maskenpflicht in Fußgängerbereichen nach § 3 Abs. 1 Nr. 11 CoronaVO BW (i.d.F. vom 18.10.2020)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass das Infektionsschutzgesetz in der zur Tatzeit gültigen Fassung vom 27. März 2020 mit den in §§ 28, 32, 73 Abs.1a Nr. 24 getroffenen Regelungen eine ausreichende, verfassungskonforme Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 CoronaVO BW angeordnete Beschränkung des Aufenthalts im öffentlichen Raum und deren Bußgeldbewehrung in § 9 Nr. 1 CoronaVO BW enthielt.

2. Das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 19. Mai 2020 enthielt mit den gegenüber der Gesetzesfassung vom 27. März 2020 unverändert gebliebenen Regelungen in §§ 28, 32, 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG weiterhin eine ausreichende, verfassungskonforme Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 Nr. 11 CoronaVO BW (i.d.F. vom 18.10.2020) angeordnete Maskenpflicht in Fußgängerbereichen, sofern der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht verlässlich eingehalten werden kann, und deren Bußgeldbewehrung in § 19 Nr. 2 CoronaVO BW.

3. Die Pflicht zum Tagen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Fußgängerbereichen, sofern nicht die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen sichergestellt ist, stellt einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 oder auch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG von nur geringer Intensität dar, der bis zur Einführung des § 28a IfSG durch Gesetz vom 18.11.2020, mit dem die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) neben vielen anderen Maßnahmen beispielhaft als eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG definiert wurde, auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 IfSG gestützt werden konnte.

 

Normenkette

IfSG § 28 Fassung: 2020-03-27, § 32 Fassung: 2020-03-27, § 73 Abs. 1a Nr. 24 Fassung: 2020-03-27

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Entscheidung vom 01.03.2021; Aktenzeichen 3 OWi 220 Js 23865/20)

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts H. vom 01. März 2021 (Az.: 3 Owi 220 Js 23865/20), soweit er durch dieses wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen ein Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum gemäß der Corona-Verordnung verurteilt wurde, im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und dahin abgeändert, dass der Betroffene zu einer Geldbuße von 70 Euro verurteilt wird. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
  2. Die mit Beschluss der zuständigen Einzelrichterin vom 15. Dezember 2021 zugelassene Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts H. vom 01. März 2021 (Az.: 3 Owi 220 Js 23865/20), soweit er durch dieses wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die Corona-Verordnung durch Nichttragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund- Nasen-Bedeckung, obwohl es geboten gewesen wäre, verurteilt wurde, wird als unbegründet verworfen.
  3. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Jedoch wird die Rechtsbeschwerdegebühr um ein Drittel ermäßigt und ein Drittel der dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.
 

Gründe

I.

1.

Das Amtsgericht H. verurteilte den Betroffenen am 01.03.2021 - nach erfolgter Verfahrensverbindung der bis dahin getrennt geführten Bußgeldverfahren in der Hauptverhandlung - wegen eines am 15.04.2020 begangenen vorsätzlichen Verstoßes gegen ein Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 der zur Tatzeit gültigen Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg zu einer Geldbuße von 600 EUR und wegen eines am 14.11.2020 begangenen fahrlässigen Verstoßes gegen die Verpflichtung zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung, obwohl es geboten gewesen wäre, zu einer Geldbuße in Höhe von 70 EUR.

A.

Nach den vom Amtsgericht zu dem vorsätzlichen Verstoß gegen das Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum getroffenen Feststellungen hielt sich der Betroffene am 15.04.2020 zwischen ca. 11:30 Uhr und ca. 14:00/14:30 Uhr zusammen mit einer Vielzahl, in der zwischen 13:00 Uhr und 14:00 Uhr erreichten Spitze bis zu 150/200 weiteren, großenteils unbekannten, nicht zu seinem Hausstand gehörenden Personen in einem verdichteten Pulk vor dem Dienstgebäude der Kriminalpolizeidirektion H., auf, wobei der Betroffene und die weiteren Personen, für einen unbeteiligten Dritten deutlich erkennbar, als Gruppe zusammenstanden, um ihre Solidarität mit einer getrennt verfolgten Rechtsanwältin zu bekunden, die am 15.04.2020 um 13:00 Uhr in dem genannten Dienstgebäude einen Vernehmungstermin wegen einer ihr vorgeworfenen Widerstandshandlung wahrzunehmen hatte.

Die Polizei hatte die Anwesenden, so die Feststellungen des Amtsgerichts, durch zwei gleichlautende Lauts...

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