Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsversteigerung der Grundstücke Flst.-Nr. … und …, eingetr. im Grundbuch von O. Nr., zwecks Auseinandersetzung der bestehenden Erbengemeinschaft. sofortige weitere Beschwerde. Erbengemeinschaft
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 765 a Abs. 1 ZPO kommt eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung allerdings nur in Betracht, wenn die Fortsetzung der Zwangsversteigerung unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Antragstellers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, diemit den guten Sitten nicht vereinbar ist.
Normenkette
ZVG § 180 Abs. 2; ZPO § 765a Abs. 1
Verfahrensgang
LG Offenburg (Beschluss vom 24.03.1993; Aktenzeichen 4 T 51/93) |
AG Offenburg (Beschluss vom 26.01.1993; Aktenzeichen K 50/92) |
Tenor
1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners werden der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 24.03.1993 und der Beschluß des Amtsgerichts Offenburg vom 26.01.1993 geändert:
Auf Antrag des Antragsgegners wird die Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Erbengemeinschaft betreffend die Grundstücke Flst.-Nr. … und …, eingetragen im Grundbuch von O. Nr. …, auf die Dauer von 6 Monaten einstweilen eingestellt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.
3. Der Gegenstandswert der weiteren Beschwerde wird auf
5 000,00 DM
festgesetzt.
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft, soweit der angefochtene Beschluß eine Entscheidung bezüglich § 765 a ZPO enthält (§§ 568 Abs. 2, 765 a, 793 ZPO). Insoweit liegt ein neuer selbständiger Beschwerdegrund (vgl. hierzu Thomas-Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 568 Anm. 3) vor, da in der Beschwerdeentscheidung – im Unterschied zum Beschluß des Amtsgerichts – auch die Anwendbarkeit und die Voraussetzungen des § 765 a ZPO geprüft wurden.
Außerdem beruht die Beschwerdeentscheidung auf einem wesentlichen Verfahrensverstoß, nämlich der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Antragsgegners, da die Beschwerdeentscheidung vor Ablauf der dem Antragsgegner mitgeteilten Äußerungsfrist bis 22.05.1993 ergangen ist.
Nicht statthaft ist die weitere Beschwerde allerdings gegen die Beschwerdeentscheidung über den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung gemäß § 180 Abs. 2 ZVG (§§ 180 Abs. 2 Satz 2, 30 b Abs. 3 Satz 2 ZVG; vgl. hierzu Zeller-Stöber, ZVG, 13. Aufl., § 30 b Anm. 9.3).
Die weitere Beschwerde, soweit sie statthaft ist, ist auch im übrigen zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Die vom Antragsteller begehrte einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung ist gemäß § 765 a Abs. 1 ZPO gerechtfertigt.
Zwar ist – wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat – in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob bei der Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft gemäß §§ 180 ff. ZVG die Vorschrift des § 765 a ZPO anwendbar ist (vgl. auch Zeller-Stöber, a.a.O., Einl. 52.6 m.w.N.).
Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung an, daß auch in der Teilungsversteigerung der Schutz des Antragsgegners nach der Generalklausel des Vollstreckungsschutzes geboten ist (vgl. Zeller-Stöber, a.a.O., Einl. 52.6).
Nach § 765 a Abs. 1 ZPO kommt eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung allerdings nur in Betracht, wenn die Fortsetzung der Zwangsversteigerung unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Antragstellers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.
Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Interessen des Vaters der Parteien im Rahmen des § 765 a ZPO unmittelbar zu berücksichtigen sind. Jedenfalls ist nach Auffassung des Senats davon auszugehen, daß im Hinblick auf das hohe Alter und die ernsthafte Erkrankung des Vaters der Parteien die Fortsetzung der Zwangsversteigerung wegen der damit für den betagten und kranken Vater verbundenen Aufregungen und Gesundheitsgefährdung, die durchaus auch ein lebensbedrohliches Ausmaß annehmen könnte, für den um den Vater besorgten Antragsgegner eine mit den guten Sitten nicht vereinbare Härte bedeutet.
Wie den vom Antragsgegner vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen des Hausarztes Dr. K. vom 26.11.1992 und 03.05.1993 (AS 51, 131) – an deren Richtigkeit begründete Zweifel nicht ersichtlich sind – zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem jetzt 85jährigen Vater der Parteien um einen multimorbiden Patienten nach mehreren schweren Operationen, bei dem aufgrund des Alters mit Progredienz der Leiden jede psychische Belastung, soweit eben möglich, vermieden werden sollte, um Komplikationen im Krankheitsverlauf zu vermeiden. In Anbetracht dessen erscheint die Fortsetzung der Teilungsversteigerung des Hausgrundstücks, das der Vater bewohnt, nicht nur für diesen, sondern auch für den Antragsgegner als sittenwidrige Härte, zumal nicht abzusehen ist, ob der Vater sich noch längere Zeit in seiner häuslichen Umgebung aufhalten kann oder stationäre Pflege benötigt.
Eine andere Beurteil...