Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung der Frist zur Nachentrichtung hinterzogener Steuern gem. § 371 Abs. 3 AO fällt als Maßnahme des Steuerstrafverfahrens in die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der für das Steuerstrafverfahren zuständigen Finanzbehörde im Sinne des § 386 Abs. 1 Satz 2 AO.
2. Leistungsgebote im steuerlichen Erhebungsverfahren sind für die Frage einer Strafbefreiung nach § 371 Abs. 1 und 3 AO ohne Bedeutung.
3. Eine unterbliebene Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO kann im Berufungsverfahren von der mit der Sache befassten Strafkammer nachgeholt werden.
Normenkette
AO § 371 Abs. 1, 3
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts M. vom 14. März 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht M. verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 19.04.2005 wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu der Gesamtgeldstrafe von 55 Tagessätzen zu je 20,– EUR. Die gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten, welche in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, hat das Landgericht M. als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge vorläufigen Erfolg.
Entscheidungsgründe
II.
Nach den vom Landgericht für bindend erachteten Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils erstattete der Angeklagte mit einem beim Finanzamt M.-Stadt am 14.06.2004 eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten Selbstanzeige und reichte u. a. Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1997 und 1998 ein, in denen Einkünfte und Umsätze aus seiner Tätigkeit als Handelsvertreter erklärt wurden. Obwohl den Steuererklärungen eine Darstellung der Gewinnermittlung nicht beigefügt war, veranlagte das Finanzamt den Angeklagten und seine Ehefrau mit Steuerbescheiden vom 23.06.2004 entsprechend den eingereichten Einkommensteuererklärungen unter vollständiger ungeprüfter Zugrundelegung der in den Steuererklärungen insbesondere zu den Betriebsausgaben gemachten Angaben zur Einkommensteuer: Für das Jahr 1997 wurden unter Berechnung des zu versteuernden Einkommens auf 57.669,– DM und Anwendung der Splitting-Tabelle die Einkommensteuer auf 9.156,– DM nebst Zinsen und Kirchensteuer und unter Hinweis auf die strafbefreiende Wirkung einer fristgerechten Zahlung eine Zahlungsfrist bis zum 28.07.2004 festgesetzt. Für das Jahr 1998 wurde ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 47.268,– DM unter Zugrundelegung der Splitting-Tabelle die Einkommensteuer auf 6.078,– DM nebst Zinsen und Kirchensteuer festgesetzt und wiederum unter Hinweis auf die strafbefreiende Wirkung der fristgerechten Zahlung eine Zahlungsfrist bis 28.07.2004 bestimmt. Ungeachtet der ihm zeitnah zugegangenen Steuerbescheiden und der darin jeweils enthaltenen Fristsetzungen hat der Angeklagte keine Zahlungen auf die Steuerschulden geleistet.
III.
Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer – wie der Senat von Amts wegen zu prüfen hat – zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch des amtsgerichtlichen Urteils ausgegangen ist und damit den Umfang ihrer Kognitionspflicht verkannt hat.
1. Eine Beschränkung der Berufung nach § 318 Satz 1 StPO ist insoweit möglich, als der angefochtene Entscheidungsteil rechtlich und tatsächlich selbstständig bewertet werden kann, ohne eine Prüfung der übrigen Entscheidungsteile notwendig zu machen. Da Schuld- und Straffrage in aller Regel einer getrennten Beurteilung zugänglich sind, ist eine isolierte Anfechtung des Rechtsfolgenausspruchs grundsätzlich möglich (vgl. nur Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 318 Rdnr. 16 m. w. N.). Anderes gilt indes, wenn im Einzelfall der nicht angefochtene Schuldspruch keine hinreichende Grundlage für eine Rechtsfolgenentscheidung bildet (vgl. Senat B. v. 02.05.2006 – 3 Ss 245/05 –; B. v. 19.02.2003 – 3 Ss 118/02 –). An der erforderlichen Grundlage für eine Rechtsfolgenentscheidung des Rechtsmittelgerichts fehlt es, wenn nach den Urteilsfeststellungen zu dem nicht angefochtenen Schuldspruch überhaupt keine Strafe verhängt werden könnte, weil die Feststellungen das Vorliegen einer Straftat nicht belegen. In diesem Fall ist eine beschränkte Anfechtung des Rechtsfolgenausspruchs daher nicht möglich (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 f; NStZ 1996, 352, 353; OLG Celle StraFo 2004, 61; OLG Stuttgart NStZ-RR 2002, 47; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 307; BayObLG wistra 1992, 279, 280; Gössel in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 318 Rdnr. 52).
2. Die vom Angeklagten erklärte Beschränkung seiner Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch des Urteils des Amtsgerichts M. erweist sich danach als unwi...