Leitsatz (amtlich)
Haben die Parteien sich außergerichtlich geeinigt und beantragen sie deshalb übereinstimmend eine Aufhebung (oder Verlegung) des Verkündungstermins, verstößt ein Festhalten an dem Verkündungstermin gegen die Dispositionsmaxime der Parteien und gegen die Verpflichtung, auf eine gütliche Streitbeilegung hinzuwirken. Dies gilt auch, wenn der erkennende Richter zum Zeitpunkt des Antrags von dem Inhalt des Vergleichs noch keine Kenntnis hat.
Normenkette
GKG § 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Beschluss vom 10.12.2007; Aktenzeichen 10 O 469/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Kostenansatz des LG Karlsruhe vom 10.12.2007 Kassenzeichen 9671010000014 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 26.11.2008 aufgehoben.
Wegen unrichtiger Sachbehandlung ist nur die ermäßigte Gebühr nach einem Satz von 1,0 zu erheben (KV 1211 Nr. 3).
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert beträgt 854 EUR.
Gründe
I. Der Kläger beanstandet, dass er auf Zahlung von drei Gerichtsgebühren in Anspruch genommen wird.
Das LG bestimmte nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.3.2008 einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 17.4.2008. Mit am 10.4. und am 11.4.2008 eingegangenen Schriftsätzen, von denen der erkennende Richter Kenntnis nahm, teilten die Prozessbevollmächtigten beider Parteien übereinstimmend mit, dass sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten, die Beklagte einen Vergleichstext zur gerichtlichen Feststellung des Vergleichs ausfertigen werde und sie daher die Aufhebung des Verkündungstermins beantragen. Dies lehnte der erkennende Einzelrichter ab und verkündete am 17.4.2008 ein Urteil. Der an diesem Tag bei Gericht eingegangene Vergleichstext wurde nicht mehr als Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, stattdessen legte die Beklagte gegen das Urteil Berufung ein. Auf Grund eines außergerichtlichen Vergleichs nahm schließlich der Kläger die Klage mit Zustimmung der Beklagten im Juli 2008 zurück. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht Gegenstand der Beschwerde (vgl. Schriftsatz v. 21.11.2008).
Dem Kläger wurden mit Kostenansatz des LG drei Gerichtsgebühren (Verfahrengebühr) nach KV Nr. 1210 i.H.v. 1.281 EUR in Rechnung gestellt.
Der Kläger meint, wegen unrichtiger Sachbehandlung dürften nach § 21 GKG keine zusätzlichen zwei Gerichtsgebühren für den Erlass des Urteils erhoben werden. Beide Parteien hätten dem Gericht mitgeteilt, dass sie keine Entscheidung in der Sache wünschten, da sie sich außergerichtlich geeinigt hätten. Bei zutreffender Sachbehandlung wäre das Verfahren ohne gerichtliche Entscheidung mit einem Vergleich beendet worden. Dies hätte zur Sollstellung einer ermäßigten Gerichtsgebühr i.H.v. 1,0 geführt (KV 1211 Nr. 3). Die zusätzlichen Gebühren dürften daher nicht in Ansatz gebracht werden.
Das LG hat der Erinnerung des Klägers gegen den Kostenansatz gemäß dem Antrag des Bezirksrevisors mit Beschluss vom 4.11.2008 nicht abgeholfen. Mit Beschluss vom 5.11.2008 hat der Einzelrichter am LG die Erinnerung zurückgewiesen (AS I 363 f.). Gegen diesen dem Kläger am 7.11.2008 zugegangenen Beschluss hat der Klägervertreter für den Kläger Beschwerde eingelegt. Der Bezirksrevisor hatte rechtliches Gehör.
II. Die zulässige, insbesondere den Wert des § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG übersteigende Beschwerde ist begründet. Es liegt eine unrichtige Sachbehandlung durch das LG Karlsruhe i.S.d. § 21 Abs. 1 GKG vor, die zu vermeidbaren Mehrkosten geführt hat. Diese Mehrkosten sind nicht zu erheben.
Eine unrichtige Sachbehandlung i.S.d. § 21 Abs. 1 GKG ist nur dann gegeben, wenn das Gericht gegen eindeutige gesetzliche Vorschriften verstoßen hat und dieser Verstoß offen zu Tage tritt oder wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt, etwa eine eindeutiger Verkennung des materiellen Rechts. Ein leichter Verfahrensverstoß genügt für die Annahme einer unrichtigen Sachbehandlung nicht (Senat OLGR 2008, 242 f.).
Im vorliegenden Verfahren hat das LG Karlsruhe gegen eindeutige gesetzliche Vorschriften verstoßen. Dieser Verstoß tritt offen zu Tage. Zu den Verfahrensgrundsätzen im deutschen Zivilprozess gehört neben dem rechtlichen Gehör auch die Dispositionsmaxime. Diese bedeutet, dass das Verfügungsrecht über den Prozess im Ganzen nur den Parteien zusteht. Sie können durch Antrag den Beginn des Verfahrens, seinen Umfang und seine Beendigung bestimmen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., vor § 128 Rz. 9.). Besondere Bedeutung hat der Gesetzgeber dabei der Beendigung des Streitverfahrens durch einen Vergleich beigemessen: Nach § 278 Abs. 1 ZPO soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Diese Regelung dient dem Ziel, Prozesse in einem möglichst frühen Stadium zu beenden. Dieses Ziel darf nicht allein unter dem Gesichtspunkt einer Entlastung des Gerichts gesehen werden. Gesetzgeberisches Motiv war vielmehr auch die Erkenntnis, dass eine gütliche Streitbeilegung dem Re...