Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschgebühr für das Vorverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Gewährung einer Pauschvergütung für das Vorverfahren kann angezeigt sein, wenn für mehrere Besuche des Angeklagten in der Haftanstalt ein Zeitaufwand von etwa zehn Stunden erforderlich gewesen ist und die Verständigung mit dem Angeklagten nur mit einem Dolmetscher möglich war.
Normenkette
RVG § 51
Tenor
1. Rechtsanwalt M. aus K. wird für seine Tätigkeit als gerichtlich bestellter Verteidiger des Verurteilten Z. für das Vorverfahren eine an die Stelle der gesetzlichen Gebühr tretende Pauschvergütung i.H.v. 312,50 EUR (i.W.: dreihundertzwölf, fünfzig) bewilligt.
2. Im Übrigen wird der Antrag des Pflichtverteidigers abgewiesen.
Gründe
I. Der mit Verfügung des Vorsitzenden des LG - Schwurgericht - K. vom 17.12.2004 zum Pflichtverteidiger bestellte, seit 15.10.2004 als Wahlverteidiger tätige Rechtsanwalt M. aus U. hat am 11.3.2005 für seine Tätigkeit eine Pauschvergütung i.H.v. 3.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer beantragt.
Der Vorsitzende des Schwurgerichts hat am 13.4.2005 zu dem Antrag Stellung genommen und die Gewährung einer Pauschgebühr für angemessen erachtet.
Der Bezirksrevisor ist der Bewilligung einer Pauschvergütung entgegengetreten.
II. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 51 RVG liegen für das Vorverfahren vor, nicht jedoch für das Hauptverfahren.
Nach § 51 Abs. 1 RVG ist eine Pauschvergütung für das gesamte Verfahren oder von Teilen davon zu gewähren, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit des Pflichtverteidigers nicht zumutbar sind. Nach der Intention des Gesetzgebers ist der praktische Anwendungsbereich des § 51 RVG ggü. der alten Regelung in § 99 BRAGO eingeschränkt, da in das Vergütungsverzeichnis neue Gebührentatbestände aufgenommen wurden, deren Vorliegen nach altem Recht dazu führte, dass eine Pauschvergütung bewilligt wurde (BT-Drucks. 15/1971, 201 [202], zitiert bei: Hartung in Praxiskommentar zum RVG, § 51 Rz. 7; Podlech/Trappmann in Bischof/Jungbauer/Podlech/Trappmann, Kompaktkommentar zum RVG, § 51 Rz. 4). So sind für die - nach der Rechtsprechung der OLG bisher für die Angemessenheit einer Pauschgebühr herangezogene Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren (Nr. 4103 RVG-VV), die Teilnahme am Haftprüfungstermin (Nr. 4102 RVG-VV) oder die Teilnahme an Hauptverhandlungsterminen mit mehr als 5 bzw. 8 Stunden Dauer neue Gebührentatbestände geschaffen worden, so dass diese Tätigkeiten, wie der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme zu Recht ausführt, nur noch in Ausnahmefällen zur Begründung einer Pauschgebühr herangezogen werden können (Hartung in Praxiskommentar zum RVG, § 51 Rz. 7; Podlech/Trappmann in Bischof/Jungbauer/Podlech/Trappmann, Kompaktkommentar zum RVG, § 51 Rz. 4). § 51 RVG erfasst aber weiterhin vor allem die Fälle, in denen der Verteidiger im Ermittlungsverfahren in weit überdurchschnittlichem Maße tätig war (Hartung in Praxiskommentar zum RVG, § 51 Rz. 8).
Dies ist vorliegend bezüglich der Tätigkeit des Verteidigers im Ermittlungsverfahren, dem "vorbereitenden Verfahren" i.S.d. Teils 4 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses der Fall. Zwar waren im vorliegenden Fall weder die Akten, in die sich der Verteidiger einarbeiten musste, besonders umfangreich, noch war die Sache in rechtlicher Hinsicht besonders schwierig, zumal der Verurteilte bereits in seiner polizeilichen Vernehmung am Festnahmetag geständig war, dem Opfer den letztlich tödlichen Kopfstoß versetzt zu haben. Aufgrund der schwierigen - aufbrausenden - Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten, der vehement leugnete, dem Opfer die verfahrensgegenständlichen 50 EUR entwendet zu haben, waren für die Verteidigung jedoch 4 Besuche von jeweils mehr als einer Stunde Dauer bei einer Fahrzeit von insgesamt jeweils ca. 1 Stunde 30 Minuten (einfache Strecke 50 km) in der Justizvollzugsanstalt Heimsheim notwendig, insgesamt also ein Zeitaufwand von ca. 10 Stunden, wobei - trotz der deutschen Staatsangehörigkeit des Verurteilten - die Verständigung nur über einen Dolmetscher für die russische Sprache möglich war. Die Notwendigkeit, einen Dolmetscher zu dem Mandantengesprächen bei zu ziehen, rechtfertigt für sich allein nicht die Gewährung einer Pauschgebühr (OLG Karlsruhe v. 26.11.1986 - 4 AR 76/86, JurBüro 1987, 392 = Rpfleger 1987, 176). Jedoch begründet dies vorliegend i.V.m. der erforderlichen Fahrzeit - der Verteidiger hat insgesamt nahezu einen ganzen Arbeitstag verloren - (OLG Karlsruhe StV 1990, 369) und der problematischen Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten (OLG Nürnberg StV 2000, 441 f.), die sich aus seiner Zugehörigkeit zu einem anderen Kulturkreis, seiner Neigung zu aufbrausendem Verhalten und der festgestellten Nähe zum Obdachlosen- und Trinkermilieu ergibt, einen besonderen Umfang der Tätigkeit des Verteidigers im Ermittlungsverfahren, zumal er nach seinem Vortrag darüber hinausgehend noch eine Tatortbesichtigung durchge...