Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Verkehrsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung eines Verkehrsanwalts scheitert grundsätzlich nicht daran, dass die Sache einfach ist und deshalb ein schriftlicher Kontakt mit dem Prozessbevollmächtigten zumutbar sein könnte. Auch in einfachen Sachen darf die arme Partei einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- und Geschäftsorts aufsuchen.
Verfahrensgang
AG Pforzheim (Beschluss vom 18.10.2002; Aktenzeichen 3 F 77/01) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Pforzheim vom 18.10.2002 - 3 F 77/01 -, soweit in diesem dem Antragsteller kein Verkehrsanwalt beigeordnet worden ist, abgeändert.
Dem Antragsteller wird mit Wirkung ab Antragstellung (27.4.2001) Rechtsanwalt ... als Verkehrsanwalt beigeordnet.
Gründe
I. Der Antragsteller, der zunächst in ... und später in ... gewohnt hat, hat mit Schriftsatz seines in ... ansässigen Prozessbevollmächtigten vom 27.4.2001 unter Bezugnahme auf ein vorangegangenes Prozesskostenhilfe-Gesuch für das vorliegende Scheidungsverbundverfahren beantragt, "die Rechtsanwälte ... u. ... als Korrespondenzanwälte und die Rechtsanwälte ... & .... als örtliche Bevollmächtigte beizuordnen" (AS. 17). Die Ehe der Parteien ist mit Urteil des AG - FamG - Pforzheim vom 18.10.2002 geschieden worden. Im Rahmen des Verbundurteils ist die elterliche Sorge für die ehegemeinschaftlichen Kinder auf die Mutter übertragen und festgestellt worden, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Die Parteien waren sich über die Scheidung einig, der Vater ist dem Antrag der Mutter auf Übertragung der elterlichen Sorge nicht entgegengetreten und der Antragsteller hat sich zum Antrag der Antragsgegnerin auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht geäußert. Mit Beschluss vom 18.10.2002 ist dem Antragsteller zwar Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... bewilligt worden, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des OLG Karlsruhe der Antrag auf Beiordnung eines Verkehrsanwalts aber zurückgewiesen worden.
Gegen den ihm am 4.11.2002 (AS. 73) zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.11.2002, eingegangen beim AG Pforzheim am 21.11.2002 (AS. 77), (sofortige) Beschwerde eingelegt. Er hat diese insb. damit begründet, dass die mehr als 1 1/2 Jahre nach Antragstellung ergangene Entscheidung überraschend gewesen sei und es dem Antragsteller unmöglich gemacht hätte, auf die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe, auf die das AG hätte hinweisen müssen, zu reagieren.
Das AG - FamG - Pforzheim hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 25.11.2002 (AS. 81) nicht abgeholfen und hierzu insb. ausgeführt, die Entscheidung sei nicht überraschend gewesen, eine Hinweispflicht des Gerichtes habe nicht bestanden und der Antragsteller habe die besonderen Umstände i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO nicht dargelegt.
Der Antragsteller hat hierauf seinen bisherigen Vortrag unter Hinweis auf die Zusage von Prozesskostenhilfe mit gerichtlicher Verfügung vom 21.5.2001 (AS 9 VA) vertieft und insb. die Auffassung vertreten, dass bei einer Entfernung von 250 km zwischen Wohnort und Prozessgericht es keiner weiteren Darlegung der besonderen Umstände i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO bedürfe.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig; sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat das AG die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes abgelehnt.
Denn im vorliegenden Falle erfordern besondere Umstände i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO die Beiordnung eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten. Besondere Umstände liegen regelmäßig dann vor, wenn die Beiziehung eines Verkehrsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO "notwendig" ist (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rz. 578; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 121 Rz. 20, jeweils m.w.N.). Maßstab für die Einschaltung eines Verkehrs- oder Korrespondenzanwalts ist somit, ob eine vermögende Partei von sich aus ebenfalls diese Mehrkosten aufwenden und anschließend bei einem Obsiegen als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig erstattet erhalten würde. Dieser Maßstab hat sich im Lichte der Entscheidung des BGH vom 16.10.2002 (BGH v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, BGHReport 2003, 152 = MDR 2003, 233) dahin gehend geändert, dass die Anforderungen an die besonderen Umstände i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO gesunken sind. Ein solcher besonderer Umstand ist hier die Entfernung des Wohnsitzes des Antragstellers zur Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten in P., der dem Antragsteller im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe als Hauptbevollmächtigter beigeordnet worden ist. Eine Reise über 250 km ist unzumutbar. Auf die Schriftlichkeit des Kontakts zu seinem Prozessbevollmächtigten kann der Antragsteller nicht verwiesen werden. Der Senat schließt sich insoweit dem BGH (BGH v. 16.10.200...