Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung und Herausgabe
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 3 S 42/83) |
Tenor
Eine gemeinnützige Baugenossenschaft kann einem Mitglied, das als Einzelperson gemäß § 569 a Abs. 2 BGB wirksam in ein Mietverhältnis über ein Einfamilienhaus eingetreten ist, nicht nach § 564 b Abs. 1 BGB mit der Begründung kündigen, sie benötige das Haus zur Vermietung an Wohnungssuchende kinderreiche Familien.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine gemeinnützige Baugenossenschaft, die nach § 2 ihrer Satzung ausschließlich den Zweck verfolgt, ihren Mitgliedern zu angemessenen Preisen gesunde und zweckmäßig eingerichtete Kleinwohnungen zu verschaffen. Sie hat durch schriftlichen Mietvertrag vom 04.07.1923 an ihr Mitglied Willy … und dessen Ehefrau Maria ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 123,47 qm vermietet. Die Beklagte, deren Schwiegertochter, die gleichfalls langjähriges Mitglied der Genossenschaft ist, wohnt dort seit dem Jahre 1954, nach dem Ableben ihres Ehemannes im Jahre 1974 und des Schwiegervaters im November 1975 zuletzt gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Maria …, die Ende 1980 in einem Pflegeheim untergebracht wurde und dort am 29.07.1982 im Alter von 94 Jahren verstorben ist.
Mit Schreiben vom 27.08.1982 hat die Klägerin für den Fall, daß die Beklagte im Hinblick auf den gemeinsamen Hausstand mit ihrer Schwiegermutter gemäß § 569 a Abs. 2 BGB in das Mietverhältnis eingetreten sein sollte, fürsorglich dessen Kündigung zum 30.11.1982 erklärt und diese mit der krassen Fehlbelegung des Einfamilienhauses durch eine Einzelperson begründet. Hilfsweise hat sie mit der gleichen Begründung die Kündigung auf § 564 b BGB gestützt.
Nachdem die Beklagte der Kündigung widersprach und auch von der Klägerin angebotene Ersatz Wohnungen nicht annahm, verlangt die Klägerin mit der vorliegenden Klage die Räumung und Herausgabe des Einfamilienhauses zum 30.11.1982, hilfsweise zum 30.08.1983. Sie hat dabei ein Eintrittsrecht der Beklagten nach § 569 a Abs. 2 S. 1 BGB mit der Behauptung in Abrede gestellt, wenn je ein gemeinsamer Hausstand mit der Schwiegermutter bestanden habe, sei dieser durch deren Übersiedlung in ein Pflegeheim aufgehoben worden; die Klägerin könne daher das Mietverhältnis gemäß § 569 a Abs. 6 BGB zum 30.11.1982 kündigen. Wegen der krassen Fehlbelegung sei aber hilfsweise auch ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Kündigung nach § 564 b BGB begründet. Im Hinblick auf die besonders schwierige Wohnungsbeschaffung für einkommensschwache kinderreiche Familien habe die Klägerin als gemeinnützige Genossenschaft im öffentlichen Interesse die Aufgabe und die Verpflichtung, derartige Fehlbelegungen in Genossenschaftswohnungen zu korrigieren.
Durch Urteil vom 28.01.1983 hat das Amtsgericht die Beklagte unter Zubilligung einer Räumungsfrist bis zum 31.12.1983 entsprechend dem Hauptantrag verurteilt. Es läßt die Frage nach dem Eintrittsrecht der Beklagten offen und meint, die Klägerin habe auch bei einem Eintritt der Beklagten in das Mietverhältnis jedenfalls gemäß § 569 a Abs. 5 BGB wirksam zum 31.10.1982 gekündigt. Die Benutzung eines Einfamilienhauses durch eine alleinstehende ältere Person, bei der eine zukünftige Vergrößerung der Familie nicht mehr zu erwarten sei, bedeute angesichts der örtlichen Wohnraumverhältnisse eine krasse Fehlbelegung und rechtfertige die Kündigung aus wichtigem Grunde in der Person des Mietnachfolgers.
Gegen diese Auffassung wendet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin Klagabweisung begehrt und in dem hier interessierenden Zusammenhang die Auffassung vertritt, die nur als vorübergehend geplante Unterbringung ihrer Schwiegermutter in dem Pflegeheim habe wegen des bestehenden Rückkehrwillens den gemeinsamen Hausstand nicht beendet. Das Amtsgericht habe auch zu Unrecht einen wichtigen Grund zur Kündigung nach § 569 a Abs. 5 BGB angenommen, da die behauptete Fehlbelegung der Wohnung nicht aus Gründen in der Person der Beklagten, sondern durch den Tod der Schwiegermutter entstanden sei. Es entspreche aber gerade dem Schutz gedanken des § 569 a BGB, den hinterbliebenen Familienangehörigen die bisherige Wohnung als Lebensmittelpunkt zu erhalten; an keiner Stelle des Gesetzes werde vorausgesetzt, daß nur solche Angehörige in das Mietverhältnis eintreten dürften, bei denen sich eine zukünftige Vergrößerung der Familie erwarten lasse. Es fehle aber auch an einem berechtigten Interesse an der Kündigung im Sinne von § 564 b BGB. Das allgemeine, aus dem öffentlichen Interesse abgeleitete Bestreben einer Wohnbaugenossenschaft, den Wohnraum gerecht zu verteilen, reiche nach der Rechtsprechung hierfür nicht aus.
Die Klägerin hat um Zurückweisung des Rechtsmittels gebeten; sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, verfolgt aber im Wege der Anschlußberufung fürsorglich auch ihren Hilfsantrag aus § 564 b BGB weiter.
Das Berufungsgericht will in Abweichung von der angefochtenen Entscheidung ein Eintrittsrecht der Beklagten in das bestehende Mietverhältnis ...