Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Entscheidung vom 11.08.2004) |
LG Stuttgart (Entscheidung vom 26.10.1998; Aktenzeichen 9 Ks 112 Js 97649/95) |
Tenor
1.
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe -Auswärtige Strafvollstreckungskammer Pforzheim -vom 11. August 2004 aufgehoben.
2.
Die Vollstreckung der restlichen Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. Oktober 1998 -9 Ks 112 Js 97649/95 wird zum 29. April 2005 zur Bewährung ausgesetzt.
3.
Der Verurteilte ist am 29. April 2005 aus der Haft zu entlassen.
4.
a.
Die Bewährungszeit wird auf drei Jahre festgesetzt.
b.
Für deren Dauer wird der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des für seinen künftigen Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfers unterstellt.
c)
Dem Verurteilten wird auferlegt, seinen neuen Wohnsitz und jeden Wechsel dem Landgericht Karlsruhe -Auswärtige Strafvollstreckungskammer Pforzheim -und seinem Bewährungshelfer mitzuteilen.
d)
Dem Verurteilten wird auferlegt, sich noch während seiner Inhaftierung gemeinsam mit einem Psychologen oder einem Sozialarbeiter der Justizvollzugsanstalt B. um Durchführung einer ambulanten therapeutischen Nachsorge entsprechend des Gutachtens des Sachverständigen Dr. C. vom 09. Januar 2005 zu bemühen und diese Therapie nach näherer Weisung des zuständigen Bewährungshelfers spätestens nach seiner Haftentlassung aufzunehmen.
5.
Die mündliche Belehrung des Verurteilten über die Aussetzung des Strafrestes nach § 454 Abs. 4 StPO wird der Justizvollzugsanstalt B. übertragen, die gebeten wird, die Niederschrift der Belehrung zu den Gerichtsakten zu übersenden.
6.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
A. wurde durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.10.1998 wegen versuchten Totschlages zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, weil er am ....1995 in D. auf seinen Landsmann E. mit einer Pistole sechs Schüsse abgefeuert hatte und diesen hierdurch lebensgefährlich verletzte. Nach Festnahme in Belgien und erfolgter Auslieferung befindet er sich seit dem 02.12.1997 in Haft, welche in der Justizvollzugsanstalt B. vollzogen wird. Zwei Drittel der Strafe waren am 01.08.2004 verbüßt, das Strafende ist auf den 02.12.2007 notiert.
Mit Beschluss vom 11.08.2004 hat die Strafvollstreckungskammer nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Arzt für Psychiatrie Dr. C. die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe nach Verbüßung von mehr als Zwei Dritteln der Strafe zur Bewährung abgelehnt, weil sich der Verurteilte nicht zureichend mit seiner Straftat auseinandergesetzt und diese deshalb nicht zureichend aufgearbeitet habe, weshalb ihm keine günstige Prognose gestellt werden könne. Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wendet sich der Gefangene mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, mit welcher er seine vorzeitige Entlassung anstrebt.
Der Senat hat ergänzende Stellungnahmen des beauftragten Sachverständigen sowie des Psychologischen Dienstes der Justizvollzugsanstalt B. eingeholt und dem Verurteilten über seine Verteidigerin rechtliches Gehör gewährt. Diese hat sich hierzu mit Schriftsatz vom 13.01.2005 geäußert.
II.
Die gemäß § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß erhoben.
Sie ist auch begründet.
1.
Die Verantwortungsklausel des §§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB fordert als Voraussetzung für eine vorzeitige bedingte Entlassung die Wahrscheinlichkeit des Erfolges der Aussetzung der Vollstreckung, wobei insbesondere die Kriterien des "Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit" und des "Gewichts des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes" dem Wahrscheinlichkeitsurteil Grenzen setzen. In diesem Rahmen setzt das mit der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verbundene "Erprobungswagnis" zwar keine Gewissheit künftiger Straffreiheit voraus; es genügt deshalb, wenn -eindeutig festzustellende -positive Umstände die Erwartung i.S. einer wirklichen Chance rechtfertigen, dass der Verurteilte im Falle seiner Freilassung nicht mehr straffällig, sondern die Bewährungszeit durchstehen werde.
Die Anforderungen, welche an die Erfolgsaussichten der Prognose zu stellen sind, werden dabei desto strenger, je höher das Gewicht des bedrohten Rechtsguts ist. Bei der danach gebotenen Abwägung aller entscheidungserheblichen Umstände kommt dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit und dem Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts insbesondere dann besondere Bedeutung bei, wenn der Verurteilung ein Verbrechen gegen das Leben zugrunde lag (OLG Karlsruhe StV 2002, 322 m.w.N.). Dies bedeutet aber nicht, dass bei derartigen Gewaltdelikten eine vorzeitige Entlassung grundsätzlich ausgeschlossen ist; das verfassungsrechtlich verankerte Gebot bestmöglicher Sachaufklärung (BVerfGE 70, 297 ff., 309) erfordert dann aber auch zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Rechtsbrechern ...