Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert im selbständigen Beweisverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im selbständigen Beweisverfahren richtet sich der Gegenstandswert nach dem voraussichtlichen Streitwert der Klage in einem späteren Hauptsacheprozess.

2. Soll ein Sachverständiger Gebäudeschäden und deren Ursachen klären, sind die im Gutachten angegebenen Sanierungskosten für den Streitwert maßgeblich. Auf die Frage, wie hoch der Antragsteller selbst in seinem Antrag den Streitwert angegeben hat, kommt es in der Regel nicht an, wenn die im Gutachten ermittelten Mangelbeseitigungskosten von der Schätzung des Antragstellers abweichen.

3. Enthält das Gutachten eine Schätzung der Sanierungskosten, sind diese für den Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens auch dann maßgeblich, wenn der Sachverständige bei der Frage nach der Ursache eines Gebäudeschadens keine Gründe für eine Verantwortlichkeit des Antragsgegners festgestellt hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 3, 485

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Aktenzeichen 4 OH 11/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird der Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Konstanz - N 4 OH 11/18 - in Abänderung der Entscheidung des Landgerichts vom 26.09.2019 auf 43.058,05 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin beauftragte die Antragsgegnerin im Jahr 2012 mit der Erstellung eines Gartenhauses in Holzbauweise. Im Jahr 2017 stellte die Antragstellerin erhebliche Feuchtigkeitsschäden an dem von der Antragsgegnerin errichteten Gebäude fest. Sie war der Auffassung, die Feuchtigkeitsschäden seien durch Mängel der Leistungen der Antragsgegnerin verursacht worden.

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.05.2018 hat die Antragstellerin beim Landgericht Konstanz die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens beantragt. Durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sollten Mängel und Schäden des Gartenhauses geklärt werden. Außerdem sollte der Sachverständige Stellung nehmen zu der Frage, inwieweit die festgestellten Schäden auf mangelhaften Leistungen der Antragsgegnerin beruhten. Schließlich sollte der Sachverständige auch die Kosten einer Sanierung beziffern. In der Antragsschrift hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, die Antragsgegnerin habe vorgerichtlich ein Angebot zur Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden erstellt, indem sie selbst die Kosten für die Beseitigung mit 23.894,01 EUR brutto beziffert habe. Unter Berücksichtigung dieser Mangelbeseitigungskosten sei unzweifelhaft die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben.

Am 27.06.2019 hat der vom Landgericht beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) P. L. ein schriftliches Gutachten erstellt. Das Gutachten ist zu dem Ergebnis gekommen, dass an dem streitgegenständlichen Gebäude erhebliche Feuchtigkeitsschäden vorhanden seien. Ursächlich für diese Feuchtigkeitsschäden seien allerdings nicht mangelhafte Leistungen der Antragsgegnerin. Die Leistungen der Antragsgegnerin seien vielmehr mangelfrei. Ursächlich für die Feuchtigkeitsschäden sei allein ein Wasserschaden im Januar 2017, den die Antragsgegnerin nicht zu vertreten habe. Die Kosten zur Sanierung dieses Wasserschadens hat der Sachverständige auf 43.058,05 EUR beziffert.

Mit Beschluss vom 26.09.2019 hat das Landgericht den Streitwert für das selbstständige Beweisverfahren auf 23.894,01 EUR festgesetzt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin. Sie sind der Auffassung, der Streitwert sei - entsprechend der Kostenschätzung im Sachverständigengutachten - auf 43.058,05 EUR festzusetzen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 09.12.2019 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Entscheidung vorgelegt. Maßgeblich für die Wertfestsetzung im selbstständigen Beweisverfahren sei die Kostenschätzung der Antragstellerin im Antrag vom 29.05.2018. Aufgrund eines vorliegenden Angebots der Antragsgegnerin habe die Antragstellerin selbst einen in Betracht kommenden Hauptsacheanspruch auf 23.894,01 EUR geschätzt. Da der Sachverständige in seinem späteren Gutachten Mängel der Werkleistungen der Antragsgegnerin nicht bestätigt habe, komme es auf die vom Sachverständigen angegebenen (höheren) Sanierungskosten für die Wertfestsetzung nicht an.

Die Parteien und die Prozessbevollmächtigten hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt die Wertfestsetzung des Landgerichts.

II. Die zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig gemäß § 68 Abs. 1 GKG i. V. m. § 32 Abs. 2 RVG. Die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin sind berechtigt, die Beschwerde im eigenen Namen einzulegen. Denn bei einem höheren Streitwert ergeben sich für die Prozessbevollmächtigten höhere Anwaltsgebühren. Der Wert des Beschwerdegegenstands (die Gebührendifferenz) überste...

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