rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen das AEntG
Leitsatz (amtlich)
1. Die in § 3 Abs. 2 AEntG enthaltene Verpflichtung eines Verleihers mit Sitz im Ausland, die Überlassung eines oder mehrerer Arbeitnehmer im Rahmen des AÜG zur Arbeitsleistung im Geltungsbereich des AEntG vor Beginn jeder Bauleistung dem für den Ort der Bauleistung zuständigen Landesarbeitsamt schriftlich anzumelden, ist grundsätzlich mit dem EG-Gemeinschaftsrecht vereinbar.
2. Die in § 3 Abs. 2 AEntG enthaltene Meldepflicht unterliegt jedoch ungeachtet des weitergehenden Wortlauts der Bestimmung Einschränkungen, die sich aus dem Sinn und Zweck des AEntG und aus einer Gesamtsicht der in § 3 AEntG getroffenen Regelungen ableiten.
3. Danach besteht eine Meldepflicht nur insoweit, als die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 a AEntG erfüllt sein können. Kommt der ausländische Verleiher nach eigener Prüfung mit Recht zum Ergebnis, dass keine Mindestarbeitsbedingungen bei Entsendung von Arbeitnehmern in den Geltungsbereich des AEntG einzuhalten sind, so besteht eine Meldepflicht nicht.
Normenkette
AEntG § 1 Abs. 1, 2a, § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts R. vom 11. September 2000 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht R. zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Der Betroffene, ein französischer Staatsangehöriger, wurde durch Urteil des Amtsgerichts R. vom 11.09.2000 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Meldepflicht des § 3 Abs. 2 AEntG in Tateinheit mit vorsätzlicher Nichtabgabe der Versicherung, dass die in § 1 AEntG vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen eingehalten werden, zu der Geldbuße von DM 1.000 verurteilt. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Betroffene als angestellter Vertriebsleiter der Firma X. in S. (Frankreich), welche den Verleih von Arbeitnehmern zum Geschäftsgegenstand hat, den Arbeitnehmer K. am 15. und 16.11.1999 an die deutsche Firma W. verliehen, welche den Arbeitnehmer in diesem Zeitraum auf der Baustelle der Firma A. in L. (Deutschland) einsetzte.
Entscheidungsgründe
II.
Der zulässigen und gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG auf den Senat mit drei Richtern übertragenen Rechtsbeschwerde, mit der die Sachrüge erhoben wird, kann ein – jedenfalls vorläufiger – Erfolg nicht versagt bleiben.
Allerdings teilt der Senat die Einwendungen der Rechtsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Vereinbarkeit der Bestimmung des § 3 Abs. 2 AEntG mit EG-Gemeinschaftsrecht wendet, nicht. Ein Verstoß gegen das in Artikel 59 Abs. 1 EWGV niedergelegte Diskriminierungsverbot liegt nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darf der in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommende freie Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäische Gemeinschaft nämlich durch solche Regelungen eingeschränkt werden, welche durch zwingende Gründe der Allgemeinheit gerechtfertigt sind. Hierzu gehört insbesondere der Schutz der Arbeitnehmer. Deshalb ist es den Mitgliedsstaaten nicht verwehrt, ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge über Mindestlöhne unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist, auf alle Personen zu erstrecken, die in ihrem Hoheitsgebiet, und sei es auch nur vorübergehend, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben. Auch sind die Mitgliedsstaaten berechtigt, die Beachtung dieser Bestimmung mit geeigneten Mitteln durchzusetzen (EuGH ZIP 1999, 2174 ff. mit Anm. Däubler).
Im Rahmen dieser jedenfalls im Anwendungsbereich des § 1 AEntG unbedenklichen Kontrollbefugnis hält sich die Bestimmung des § 3 Abs. 2 AEntG, wenn sie auch einem im Ausland ansässigen Verleiher von Arbeitnehmern die Pflicht auferlegt, die vorgesehene Arbeitaufnahme von Mitarbeitern seiner Firma im Inland den deutschen Behörden anzuzeigen, denn ohne eine solche Mitteilung ist eine wirksame Kontrolle der Einhaltung von Mindestlöhnen nicht möglich (ebenso: OLG Düsseldorf wistra 2000, 316 f.).
Das Urteil kann jedoch vorliegend deshalb keinen Bestand haben, weil den getroffenen Feststellungen nicht sicher zu entnehmen ist, ob das AEntG überhaupt Anwendung findet (vgl. BayObLG NStZ-RR 2000, 149 f.). Die in § 3 Abs. 2 AEntG angeführte Verpflichtung des Verleihers mit Sitz im Ausland zur vorherigen Anmeldung der Überlassung von Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gilt nämlich nicht unbeschränkt.
Bereits aus dem unmittelbaren Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass dies nur bei „Bauleistungen” der Fall ist, mithin der verliehene Arbeitnehmer auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Bauleistungen erbringen soll. Nach der Legaldefinition des § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III fallen unter diesen Begriff alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Nach den Motiven des Gesetzgebers ist der Begriff der „Bauleistung” u...