Leitsatz (amtlich)
Die Anwesenheit eines zur Verteidigung bereiten Verteidigers steht der Vewerfung der berufung des geladenen, aber nicht erschienenen Angeklagten nicht entgegen, wenn die Befugnis zur Vertretung des Angeklagten nicht duch schriftliche Vollmacht nachgewiesen ist.
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Entscheidung vom 06.05.2013; Aktenzeichen 4 Ns 230 Js 18715/11) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg H. vom 06. Mai 2013 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
Durch Urteil des Amtsgerichts Heidelberg H. vom 06.03.2012 wurde der Angeklagte wegen Betrugs in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Der Angeklagte legte Berufung ein. Nachdem die Ladung zum anberaumten Termin für die Berufungshauptverhandlung dem Angeklagten nicht zugestellt werden konnte und eine ladungsfähige Anschrift des Angeklagten weder vom Verteidiger noch durch polizeiliche Ermittlungen in Erfahrung gebracht werden konnte, wurde die Ladung des Angeklagten zum Hauptverhandlungstermin am 06.05.2013 durch öffentliche Zustellung bewirkt. Zur Berufungshauptverhandlung erschien der Angeklagte nicht, aber der ihm bestellte Verteidiger erklärte sich zur Verteidigung des Angeklagten bereit. Gleichwohl verwarf das Landgericht Heidelberg H. mit dem angefochtenen Urteil die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Mit der durch den Verteidiger eingelegten Revision wird die Sachrüge erhoben und zudem - unter Berufung auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) - ein Verstoß gegen die Verfahrensnorm des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO geltend gemacht, weil die Verwerfung der Berufung wegen der Anwesenheit des zur Verteidigung bereiten Pflichtverteidigers unzulässig gewesen sei.
Die zulässige Revision ist offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet.
a. Ob der Rechtsprechung des EGMR, wonach die Verwerfung der Berufung des Angeklagten ohne Hauptverhandlung zur Sache, weil der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Entschuldigungsgrund nicht erschienen ist, eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK darstellt, wenn ein verteidigungsbereiter Verteidiger erschienen ist (EGMR StraFo 2012, 490 m.w.N.), durch konventionskonforme Auslegung von § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO Rechnung getragen werden kann (ablehnend OLG Düsseldorf StV 2013, 299; OLG Hamm VRR 2012, 391; OLG München NStZ 2013, 358; vgl. im Übrigen Mosbacher NStZ 2013, 312; Peglau jurisPR-StrafR 5/3013 Anm. 3; Püschel StraFo 2012, 493; Esser StV 2013, 331), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
b. Selbst bei einer befürwortenden Auslegung ergeben sich aus § 234 StPO weitere an den Nachweis der Vertretungsmacht zu stellende Anforderungen, die vorliegend nicht erfüllt sind. Dieser Bestimmung zufolge ist die Vertretung des Angeklagten, soweit die Hauptverhandlung ohne seine Anwesenheit stattfinden kann, (nur) durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger zulässig.
Auch wenn die Vorschrift des § 234 StPO im Zusammenhang mit den in §§ 231 Abs. 2, 231a, 231b und 232 StPO gesetzlich geregelten Ausnahmefällen von dem in § 231 Abs. 1 StPO aufgestellten Grundsatz, wonach nur gegen einen anwesenden Angeklagten verhandelt werden kann, zu sehen ist, sind ihre tatbestandlichen Voraussetzungen doch so gefasst, dass sie auch dann eingreift, wenn über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus eine Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten für zulässig erachtet wird. Die Anwendbarkeit des § 234 StPO auf die hier gegebene Fallkonstellation und damit das Erfordernis einer besonderen Vertretungsvollmacht ergeben sich auch aus einem Vergleich mit der Rechtslage im Strafbefehlsverfahren. Gemäß §§ 411 Abs. 2, 329 Abs. 1 Satz 1 StPO kann sich ein Angeklagter hier auch in der Berufungshauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten lassen, der seine Vertretungsmacht durch eine schriftliche Vollmacht nachweisen muss. Es liegt auf der Hand, dass für die Vertretung eines Angeklagten, gegen den Anklage erhoben worden ist, keine geringeren Anforderungen gelten können.
Nach Auffassung des Senats steht die Regelung des § 234 StPO nicht in Widerspruch zu den in Art. 6 EMRK verbürgten Rechten des Angeklagten, insbesondere dem Anspruch auf rechtlichen Beistand gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK. Dies ergibt sich nach der Auffassung des Senats daraus, dass das Erfordernis des Nachweises einer schriftlichen Vollmacht nicht die Rechte des Angeklagten beschneidet, sondern im Gegenteil seinem Schutz dient. Eine solche zur umfassenden Vertretung ermächtigende schriftliche Vollmacht verlangt das Gesetz nämlich im Interesse des Angeklagten, da er damit wichtige Verfahrensrechte in die Hände seines Vertreters legt, der an seine Stelle tritt und mit Wirkung für ihn Erklärungen abgeben und entgegennehmen kann, an die der Angeklagte gebunden ist und deren Folgen allein er zu tragen hat (vg...