Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftzuschlag. Untergebrachter. Wertfestsetzung für Rechtsanwaltsgebühren. Gebührentatbestand. Überprüfung
Leitsatz (amtlich)
Im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB fällt ein gebührenrechtlicher Haftzuschlag für die Terminsgebühr des Verteidigers nach RVG VV Nr. 4203 nicht an, wenn ein in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachter im Zeitpunkt der Anhörung im Rahmen einer extramuralen Belastungserprobung in einer externen betreuten Wohneinrichtung wohnt, in der er in seiner Bewegungsfreiheit keinen maßgeblichen Einschränkungen unterliegt.
Normenkette
RVG §§ 56, 33; RVG-VV Nrn. 4201, 4203; StGB § 67e
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 12.09.2022; Aktenzeichen 13 StVK 421/22) |
Tenor
Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 12. September 2022 wird als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; etwaige Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Das Landgericht F. hat den Verurteilten S. W. durch Urteil vom 21.03.2019, rechtskräftig seit 29.03.2019, gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Für das jährliche Überprüfungsverfahren nach § 67 e StGB hat der Vorsitzende der zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts F. dem Verurteilten durch Verfügung vom 21.02.2020 den Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Der Untergebrachte, der seit dem 29.03.2019 im Zentrum für Psychiatrie E. untergebracht war, wohnte ab dem 09.04.2021 dauerhaft im Rahmen einer extramuralen Belastungserprobung im Haus ". in M., einer betreuten Wohneinrichtung für psychisch erkrankte Menschen. Die dort vorgegebene Struktur sah einen vormittäglichen Dienst in Küche oder Gemeinschaftsräumen in Kombination mit einem gemeinsamen Essen vor. Ansonsten war der Untergebrachte in seiner Freizeitgestaltung frei, konnte die Einrichtung etwa für Spaziergänge, sportliche Aktivitäten o.ä. verlassen. Mit Beschluss vom 28.03.2022 hat das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - F. die weitere Vollstreckung der mit Urteil des Landgerichts F. vom 21.03.2019 angeordnete Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt. Nach Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung behielt der Verurteilte auf eigenen Wunsch seinen Wohnsitz in der betreuten Wohneinrichtung bei. Im Aussetzungsbeschluss der Kammer vom 28.03.2022 wurde er unter anderem angewiesen, Veränderungen seines Wohnsitzes nur nach vorheriger Rücksprache mit dem/der zuständigen Bewährungshelfer/in sowie der ihn betreuenden und behandelnden forensischen Ambulanz des Zentrums für Psychiatrie in E. vorzunehmen.
Der Verteidiger hat am 09.03.2022 die Festsetzung seiner Vergütung für die Verteidigung des Verurteilten im letzten Abschnitt des Vollstreckungsverfahrens in Höhe eines Betrages von 781,63 Euro beantragt. Er hat dabei eine Verfahrensgebühr in Höhe von 395 Euro und eine Terminsgebühr für die Teilnahme an der mündlichen Anhörung am 08.03.2022 in Höhe von 192 Euro - jeweils mit Haftzuschlag (Nrn. 4201 und 4203 VV RVG) - geltend gemacht. Die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts F. hat in ihrem Festsetzungsbeschluss vom 31.03.2022 die beantragten Haftzuschläge jeweils abgesetzt, weil sich der Verurteilte laut einem Bericht des ZfP E. seit dem 09.04.2021 zur extramuralen Belastungserprobung im Haus "Q." in M. befunden habe und er dort in seiner Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt gewesen sei, weshalb es nicht zur Erschwernissen in der Kommunikation mit dem Verteidiger gekommen sei, die durch die Haftzuschläge abgegolten werden sollten. Sie hat stattdessen eine Verfahrensgebühr in Höhe von 321 Euro und eine Terminsgebühr in Höhe von 158 Euro festgesetzt. Im Übrigen erfolgte antragsgemäße Festsetzung der Gebühren und Auslagen.
Mit Beschluss vom 12.09.2022 hat das Landgericht F. - nach Übertragung des Verfahrens auf die Kammer nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - auf die Erinnerung des Verteidigers den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts F. vom 31.03.2021 dahingehend abgeändert, dass die dem Verteidiger im vorliegenden Verfahren aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 741,17 Euro festgesetzt werden. Die weitergehende Erinnerung wurde zurückgewiesen. Die Kammer hat die Erinnerung des Verteidigers für begründet erachtet, soweit er den Haftzuschlag für die Verfahrensgebühr nach Nr. 4201 Anlage 1 RVG verlangt hatte. Denn für die Gewährung des Haftzuschlages genüge es, wenn der Mandant des Verteidigers im abgerechneten Verfahrensabschnitt irgendwann einmal nicht auf freiem Fuß gewesen sei. Dies sei vorliegend der Fall, weil der abzurechnende Verfahrensabschnitt bereits mit der letzten Anhörung am 09.03.2021 begonnen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Verurteilte sich noch im geschlossenen Vollzug des ZfP E. befunden. Für die Terminsgebühr sei dagegen ein Haftzuschlag nicht anzuerke...