Leitsatz (amtlich)
Hat sich ein Drogensüchtiger nach Abbruch einer Therapie ständig um die Fortsetzung der Behandlung oder die Aufnahme in eine vergleichbare Einrichtung bemüht, so stellt dies auch dann noch einen alsbaldigen Beginn einer Behandlung derselben Art i.S.d. § 35 Abs. 5 Satz 1 BtMG dar, wenn zwischen dem Abbruch der Behandlung und deren Fortsetzung mehrere Monate liegen.
Tenor
1.
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten werden der Beschluss des Landgerichts - Strafkammer 7 - K. vom 18. März 2003 und die im Beschluss des Amtsgerichts - Bezirksjugendschöffengerichts II - K. vom 18. Februar 2003 getroffene Anordnung des Vollstreckungsleiters aufgehoben.
2.
Die dem Verurteilten mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 19. März 2002 bewilligte Zurückstellung der Strafvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts - Bezirksjugendschöffengerichts II - Karlsruhe vom 18. November 1999 bleibt aufrechterhalten.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Staatskasse zu Last. Es wird jedoch davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Staatskasse aufzuerlegen.
Gründe
I.
Der am 15.05.1979 geborene und seit 1998 drogen- und alkoholabhängige B. wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Bezirksjugendschöffengerichts II - K. vom 18.11.1999 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, wegen Diebstahls, Urkundenfälschung und des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer Jugendstrafe vom einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die mit Beschluss vom 12.05.2000 zunächst zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe wurde am 05.02.2003 widerrufen, weil der Verurteilte erneut straffällig geworden war und mit Urteil des Amtsgerichts Br. vom 17.10.2001 u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt werden musste.
Am 19.03.2003 stellte der Vollstreckungsleiter des Amtsgerichts K. auf Antrag des Verurteilten die Vollstreckung der Jugendstrafe für die Dauer von einem Jahr zurück und wies den Verurteilten an, sich einer stationären Heilbehandlung im Therapiezentrum Ludwigsmühle in L. zu unterziehen; dem kam der Verurteilte auch in der Zeit vom 30.04.2002 bis zu seiner am 23.10.2002 aus disziplinarischen Gründen wegen unerlaubten Alkoholkonsums erfolgten Entlassung nach.
Im Hinblick darauf und wegen einer erneuten Verurteilung durch das Amtsgericht Br. widerrief das Amtsgericht mit Beschluss vom 18.02.2003 die gewährte Zurückstellung. Diese Entscheidung hat das Landgericht auf Beschwerde des Verurteilten mit Beschluss vom 18.03.2003 bestätigt. Gegen diese - dem Verurteilten nicht zugestellte - Entscheidung wendet er sich dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Zur Begründung hat er über seinen Rechtsanwalt eine Kostenzusage seines Versicherungsträgers und eine Bestätigung des Therapiezentrums Ludwigsmühle vom 07.05.2003 über seine zum 15.07.2003 vorgesehene erneute Aufnahme in eine stationäre Therapie vorgelegt.
II.
1.
Die nach §§ 35 Abs. 7 Satz 4 BtMG i.V.m. § 462 Abs. 3, 311 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig.
Zu Recht hat das Landgericht das Rechtsmittel des Verurteilten gegen den Beschluss des Amtsgerichts K. vom 18.02.2003 nicht als "Beschwerde", sondern als (ersten) Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 35 Abs. 7 Satz 2 BtMG angesehen, zu dessen Entscheidung die Jugendkammer berufen war. Da das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hatte, war diesem wegen der bestehenden Interessenkollision eine eigene Überprüfung seiner als Vollstreckungsleiter nach §§ 82 ff. JGG getroffenen Entscheidungen nicht möglich, sondern diese oblag der Jugendkammer (§ 83 Abs. 2 Nr.1 JGG).
Da das Landgericht somit erstinstanzlich entschieden hatte, war hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet. Diese ist auch fristgerecht erhoben, da mangels angeordneter und erfolgter Zustellung des Beschlusses vom 18.03.2003 die Beschwerdefrist des § 311 StPO nicht zu laufen begonnen hat (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. 2003, § 311 Rn.1).
2.
Das Rechtsmittel ist auch erfolgreich, da Widerrufsgründe nicht vorliegen.
a.
Zwar ist der Verurteilte im Januar/Februar 2002 erneut straffällig geworden, weshalb er vom Amtsgericht Br. am 12.08.2002 wegen Diebstahls, vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden war. Dies reicht jedoch zur Versagung der gewährten Begünstigung allein nicht aus, vielmehr ist erforderlich, dass die Freiheitsstrafe nunmehr auch zur Vollstreckung ansteht (§ 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG). Hieran fehlt es aber, wenn auch insoweit eine Zurückstellung der Strafvollstreckung erfolgt (Weber, BtMG, 2. Aufl. 2003, § 35 Rn. 267) oder - wie vorliegend auf Grund des Antrags der Staatsanwaltschaft K. vom 16.05.2003 und der bereits erfolgten Zustimmung zur Zurückstellung (§ 35 Abs.1 Satz 1 BtMG) mit Beschluss des Amtsgerichts Br. ...