Leitsatz (amtlich)
Die COVID-19-Pandemie stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar, welcher bei einer Auslieferung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls die Aussetzung von Überstellungsfristen rechtfertigen kann.
Normenkette
IRG §§ 16, 24, 26, 83c, 83d; Rb-EuHB Art. 23 Abs. 2
Tenor
Die vorläufige Auslieferungshaft bleibt aufrechterhalten (§ 26 IRG).
Termin zur Haftprüfung wird auf den 11. Mai 2020 bestimmt.
Gründe
Der sich seit seiner vorläufigen Festnahme am 13.03.2020 in vorläufiger Auslieferungshaft aufgrund Senatsbeschluss vom 17.03.2020 befindliche Verfolgte ist Bezugsperson einer Ausschreibung der italienischen Justizbehörden im Schengener Informationssystem (SIS II - A-Formular). Dieser ist zu entnehmen, dass der Verfolgte durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts in A./Italien vom 05.10.2016 wegen illegalem Handel mit Drogen und psychotropen Stoffen in großen Mengen nach §§ 73-74 des italienischen Strafgesetzbuchs 309/1990 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt wurde, die noch vollständig zur Vollstreckung anstehen. Die dem Verfolgten zur Last liegende Straftat wird in der vorgenannten Fahndungsausschreibung nebst rechtlicher Würdigung wie folgt umschrieben:
Er wurde verurteilt wegen mehrfachen illegalen Handels mit und Verkaufs von großen Mengen Betäubungsmitteln (Kokain) in A./Italien, wobei er mit einer großen kriminellen Vereinigung (Mafia) aus Süditalien (Kalabrien) in Verbindung stand.
Als Tatzeitraum ist "seit September 2007" und als Tatort A./Italien benannt.
Der durch einen Rechtsbeistand vertretene Verfolgte hat seiner Auslieferung nach Italien zur Strafvollstreckung am 20.03.2020 vor dem Amtsgericht B./Deutschland zugestimmt, weshalb die Generalstaatsanwaltschaft diese am 23.03.2020 bewilligt hat. Sie hat jedoch keinen Termin zur Übergabe vereinbart, sondern mitgeteilt, dass aufgrund der weltweiten Pandemielage die Überstellung des Verfolgten bis zum 30.04.2020 aufgeschoben sei und danach die Lage neu zu bewerten wäre.
II.
Die nach §§ 24, 26 IRG von Amts wegen durchzuführende Haftprüfung führt zur Anordnung der Fortdauer der vorläufigen Auslieferungshaft.
1. Zwar ist nach der Bewilligung der Auslieferung mit dem ersuchenden Mitgliedstaat grundsätzlich sogleich ein Termin zur Übergabe des Verfolgten zu vereinbaren, wobei der Übergabetermin spätestens zehn Tage nach der Entscheidung über die Bewilligung liegen soll (§ 83 c IRG i.V.m. Art 23 Abs.2 Rb-EuHB). Allerdings kann in Fällen, in welchen die Einhaltung des Termins aufgrund von Umständen unmöglich ist, die sich dem Einfluss des ersuchenden Mitgliedstaates entziehen, ein neuer Übergabetermin innerhalb von zehn Tagen vereinbart werden. Kann ein solcher erster Termin zur Übergabe und auch ein Folgetermin nicht vereinbart werden, ist der Verfolgte aus der Auslieferungshaft zu entlassen (§ 83 d IRG). Jedoch kann die Vereinbarung eine solchen Übergabetermins im Hinblick auf eine gegen den Verfolgten im Geltungsbereich dieses Gesetzes laufende strafrechtliche Verfolgung oder Vollstreckung oder aus schwerwiegenden humanitären Gründen aufgeschoben werden (§ 83d Abs.4 Satz 4 IRG).
Vorliegend hat die Generalstaatsanwaltschaft allerdings mit den italienischen Justizbehörden überhaupt keinen Übergabetermin vereinbart oder zu vereinbaren versucht, sondern lediglich mitgeteilt, dass aufgrund der weltweiten Pandemielage die Überstellung des Verfolgten bis zum 30.04.2020 aufgeschoben und danach die Lage neu zu bewerten sei.
2. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden und rechtfertigt die Aufhebung der Haftanordnung nicht, denn bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände müssen die in § 83 c IRG aufgeführten Fristen nicht eingehalten werden, vielmehr hat in diesen Fällen die Bundesregierung Eurojust von diesem Umstand und von den Gründen der Verzögerung in Kenntnis zu setzen (§ 83 c Abs.5 IRG). Solche besonderen Umstände liegen hier vor.
Nach Mitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 27.03.2020 gilt in Italien derzeit (Stand: 23.03.2020) aufgrund der aktuellen Krankheitswelle mit der COVID-19-Pandemie eine Notfallverordnung, welche auch für aus dem Ausland einreisende Personen gilt (vgl. hierzu auch die Hinweise des Auswärtigen Amtes unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/italien- node/italiensicherheit/211322. Diese Beschränkungen wirken sich auch auf den Auslieferungsverkehr mit Italien aus, weshalb Sirene Italien aufgrund der aktuellen Entwicklungen in Zusammenhang mit COVID-19-Pandemie verpflichtet wurde, alle Einlieferungen nach Italien zu verschieben, um jegliches Risiko für die Passagiere, die Verfolgten und die eingesetzten Beamten zu vermeiden. Aus diesem Grund hat SIRENE Italien die zuständigen deutschen Behörden um grundsätzliche Verschiebung geplanter Überstellungen nach Italien und somit um Verlängerung der Frist zur Übergabe um mindestens 30 Tage ersucht.
Wie sich aus der zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung ergänzend heranzuziehenden Vorschrift des Art. 23 Abs. 4 RB-EuHB ergibt kommen als solche auße...