Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentum: Stimmrechtsausschluß für den bevollmächtigten Verwalter bei der Beschlußfassung über seine Entlastung. Stimmabgabe durch nicht wirksam Bevollmächtigten. Erteilung von Untervollmacht. Reichweite der Amtsermittlungspflicht in Wohnungseigentumssachen. Ungültigkeit eines Beschlusses. sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner – ohne die Wohnungseigentümerin B.W. – gegen den Beschluss des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 31.07.2001 – 1 T 20/01

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Verwalter kann nicht wirksam als Vertreter stimmberechtigter Wohnungseigentümer über seine eigene Entlastung abstimmen. Mangels anerer Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung kann er aber im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht unter der Voraussetzung Untervollmacht erteilen, daß diese nicht mit der Umgehung seines Stimmrechts dienenden Weisungen verbunden ist.

2. Die durch einen nicht wirksam Bevollmächtigten erfolgte Stimmabgabe ist unabhängig davon unwirksam, ob sie für einen nicht Stimmberechtigten oder für einen Stimmberechtigten erfolgt.

3. Die für mangels wirksamer Untervollmacht nicht ordnungsgemäß vertretene Eigentümer abgegebenen Stimmen sind nicht nur bei der rechnerischen Bestimmung des Abstimmungsergebnisses, sondern auch bei der Ermittlung der Anzahl der für einen Mehrheitsbeschluß erforderlichen Stimmen nicht zu berücksichtigen.

4. Die Beschlußfähigkeit ist nicht für die Versammlung insgesamt, sondern für jede einzelne Beschlußfassung getrennt zu beurteilen.

5. Die das Gericht im WEG-Verfahren treffende Amtsermittlungspflicht ist nicht schrankenlos, sondern besteht nur im Rahmen des von den Beteiligten Dargelegten.

 

Normenkette

WEG § 25 Abs. 5, § 26 Abs. 1; WoEigG § 44; FGG § 12

 

Verfahrensgang

LG Waldshut-Tiengen (Beschluss vom 31.07.2001; Aktenzeichen 1 T 20/01)

AG Waldshut-Tiengen (Beschluss vom 14.02.2001; Aktenzeichen 3 UR II 17/00)

 

Tenor

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner – ohne die Wohnungseigentümerin B.W.- werden der Beschluss des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 31.07.2001 – 1 T 20/01 – und der Beschluß des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 14.02.2001 – 3 UR II 17/00 – dahin abgeändert, daß der Antrag der Antragsteller insgesamt als unbegründet zurückgewiesen wird.

2. Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten aller Instanzen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.067,75 EUR (= 6.000,– DM) festgesetzt.

4. Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner gegen die mit Beschluß des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 31.07.2001 – 1 T 20/01 – erfolgte Festsetzung des Geschäftswertes für das erstinstanzliche und das zweitinstanzliche Verfahren wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer der Wohnanlage Z.in W.

1. Das von den beiden Alteigentümern – Herrn F.L.als Bauunternehmer und Herrn A.B.als Architekt – errichtete Gebäude war mit Teilungserklärung (TE) vom 13.10.1993 (AS. 57/69) in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt worden. Gemäß § 14 Abs. 3 S. 2 TE bestimmt sich das Stimmrecht in der Wohnungseigentümerversammlung in Übereinstimmung mit § 25 Abs. 2 WEG nach dem Kopfprinzip. Herr B. der jetzt noch Verwalter ist, war durch § 15 Abs. 1 S. 1 TE als erster Verwalter bestellt worden.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 31.01.1995 (AS. 9/27) haben die Antragsteller von den Alteigentümern die in dem Gebäude gelegene Wohnung Nr. 4 (82,7/1000 Miteigentumsanteile) sowie zwei Garagenstellplätze (jeweils 5,4/1000 Miteigentumsanteile) erworben.

In der Wohnanlage kam es immer wieder zu Verstopfungen des Abflussrohrs, wobei die Ursachen streitig sind. Ein auf Veranlassung des Verwalters eingeholtes schriftliches Gutachten des Sachverständigen H. vom.05.2000 (AS. 83/95) kam zum Ergebnis, daß das Gefälle der Leitungen zwar den Regeln der Technik, nicht aber den Planvorgaben entspreche. Der Gutachter hat dabei Vorschläge zur Verbesserung der Situation und zur Verhinderung weiterer Verstopfungen gemacht.

2. Mit Schreiben ohne Datum (AS. 55) hatte der Verwalter zur Eigentümerversammlung auf den 13.06.2000, 19.00 Uhr, eingeladen. Angekündigt waren u.a. die Tagesordnungspunkte „Entlastung des Verwalters” (TOP 3), „Sachverständigengutachten über Abwasserleitungen” (TOP 10) und „Verschiedenes” (TOP 12).

Ausweislich des Protokolls (AS. 29/41) mit Anwesenheitsliste (AS. 43) waren bei der Eigentümerversammlung vom 13.06.2000 sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer persönlich anwesend oder durch Bevollmächtigte vertreten. 7 der insgesamt 18 Eigentümer, die zusammen 383,5/1000 Miteigentumsanteile repräsentierten, waren dabei durch den Verwalter vertreten. Dieser war mit schriftlichen Vollmachten ausgestattet, die ihn zur Erteilung von Untervollmachten ermächtigten. Vor Eintritt in die Tagesordnung hat der Verwalter erklärt, wegen der ihm erteilten Vollmachten habe er hinsichtlich TOP 10 Herrn M.P.Untervollmacht erteilt.

Zu TOP 10 beschlossen d...

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