Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdacht des Mordes. Beschwerde gegen Ablehnung der Aufhebung einer Pflichtverteidigerbestellung

 

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten A. gegen den Beschluss des Landgerichts K. vom 15. Juni 2001 (Ablehnung des Antrags auf Entpflichtung von Rechtsanwalt E. als weiterem Pflichtverteidiger) wird als unbegründet kostenpflichtig verworfen.

 

Tatbestand

I.

Im Hauptverhandlungstermin vom 15.06.2001 wurde namens und im Auftrag des Angeklagten A. durch dessen Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt F. der Antrag gestellt, die Entpflichtung von Rechtsanwalt E., H., als seinem (weiteren) Pflichtverteidiger zu beschließen.

Dieser Antrag wurde für den Angeklagten u.a. damit begründet, dass ihm bei der Auswahl desselben kein rechtliches Gehör gewährt worden sei; ebenfalls sei ihm die Stellungnahme von Rechtsanwalt E. vom 07.06.2001 im Rahmen des sich der Pflichtverteidigerbestellung anschließenden Beschwerdeverfahrens zunächst nicht zur Kenntnis gebracht worden. Dieses Schreiben enthalte – unbefugterweise – Angaben, die Schlüsse auf seine damalige Befindlichkeit und seine Persönlichkeit zuließen, weswegen er zwischenzeitlich mit Schreiben an die Staatsanwaltschaft K. vom 13.06.2001 Strafanzeige gegen Rechtsanwalt E. wegen des Verdachts des Geheimnisverrats u.a. erstattet habe. Unter ergänzender Berücksichtigung des mit dem Ausspruch der Mandatskündigung verbundenen Vertrauensentzugs sowie des Umstands der Anhängigkeit eines Gebührenstreits in der Vergangenheit sei daher die Bestellung von Rechtsanwalt E. ermessensfehlerhaft und daher aufzuheben.

Mit Beschluss des Landgerichts K. vom 15.06.2001 wurde der Antrag auf Entpflichtung von Rechtsanwalt E. abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom selben Tag.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist gem. § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch nicht im Hinblick auf § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen (L-R – Lüderssen StPO 24. Aufl. § 143 Rdn. 15; KK-Laufhütte StPO 4. Aufl. § 143 Rdn. 6), hat aber im Ergebnis keinen Erfolg.

Der Widerruf der Bestellung als Pflichtverteidiger aus wichtigem Grund ist gesetzlich nicht geregelt, nach ganz herrschender Meinung aber zulässig, wenn Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden (BVerfGE 39, 238,244; Kleinknecht/ Meyer-Goßner § 143 Rdn.3 m.w.N.). Die Beiordnung ist daher in den Fällen aufzuheben, in denen das Vertrauensverhältnis zwischen Angeklagtem und Verteidiger gestört ist, was vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Angeklagten aus zu beurteilen ist; die ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses müssen Angeklagter und/oder Verteidiger substantiiert darlegen, so dass pauschale, nicht näher belegte Vorwürfe des Angeklagten gegen den Verteidiger dessen Entpflichtung nicht rechtfertigen. Der Angeklagte kann überdies den Widerruf der Bestellung auch nicht dadurch erreichen, dass er den – ihm missliebigen – Verteidiger beschimpft, bedroht oder gar falsch verdächtigt (BGHSt 39, 310; OLG Köln StV 1994, 234; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 143 Rdn. 5, KK-Laufhütte § 143 Rdn.5, jew. m.w.N.).

Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze ergibt sich hier Folgendes:

– Soweit der Beschwerdeführer auf die von ihm zwischenzeitlich gegen Rechtsanwalt E. erstattete Strafanzeige wegen Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 StGB u.a. rekurriert, kann es dahin stehen, ob es sich bei den Zitaten aus Schreiben des Angeklagten vom 07.11. bzw. 12.11.1999, die Eingang in die Stellungsnahme vom 07.06.2001 gefunden haben, um Geheimnisse handelte, mithin um Tatsachen, die nur einem einzelnen oder einem beschränkten Personenkreis bekannt waren und an deren Geheimhaltung der Angeklagte ein schutzwürdiges Interesse hatte (zum Geheimnisbegriff Tröndle/Fischer StGB, 50. Aufl § 203 Rdn. 2 m.w.N.). Selbst wenn man dies bejahen wollte, scheidet eine Strafbarkeit von Rechtsanwalt E. wegen Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 StGB deswegen aus, weil die diesbezügliche Offenbarung nicht unbefugt geschehen ist. In der Berufung des Angeklagten im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen die Bestellung von Rechtsanwalt E. durch den Vorsitzenden des Gerichts auf die von ihm behauptete Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses lag – zumindest konkludent – die Einwilligung zur Offenbarung derjenigen Umstände, die die Mandatskündigung begleiteten und aus denen sich die behauptete Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ergeben sollte.

Die Behauptung eines gestörten Vertrauensverhältnisses durch den Angeklagten bedarf der gerichtlichen Überprüfung. Diese bedingt – naheliegend und für jedermann voraussehbar – eine Nachfrage beim bestellten Verteidiger. In der Geltendmachung eines gestörten Vertrauensverhältnisses liegt demgemäß regelmäßig zugleich eine Berufung auf eine entsprechende Erklärung des Verteidigers. Dieser kann – vom Gericht zur Stellungnahme aufgefordert – in der Regel davon aus...

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